Schadenersatzansprüche der WEG gegen vermietenden Sondereigentümer
Die Haftung des vermietenden Sondereigentümers gegenüber einer Wohnungseigentümergemeinschaft für Pflichtverletzungen des Mieters durch Schlüsselverlust war Gegenstand des Urteils des OLG Brandenburg vom 27.04.2023 zu Az. 10 U 100/22.
Sachverhalt
Der Mieter einer Eigentumswohnung hatte den zu Haustür, Keller, Müllhaus und Tiefgarage passenden Schlüssel einer Schließanlage im Schloss der offenstehenden Kellertür stecken lassen, während er sich in den Waschmaschinenraum begab. In dieser Zeit wurde der Schlüssel gestohlen, anschließend ereigneten sich zahlreiche Einbruchsfälle in der WEG. Die WEG für fast 7 T€ einen Teil der Schließanlage austauschen. Die Haftpflichtversicherung hatte vorgerichtlich sage und schreibe 42 € für einen Ersatzschlüssel erstattet und darauf verwiesen, dass es hätten bereits vor dem Vorfall diverse Schlüssel gefehlt. Die Mieterin hat behauptet, es bestehe keine Missbrauchsgefahr, weil nur ein Hausbewohner den Schlüssel gestohlen und sie im Keller eingeschlossen haben könne, denn sie und ihre Nachbarin hätten keine Hausfremden in dieser Zeit bemerkt.
Entscheidung
Das Oberlandesgericht stellte zunächst fest, dass der vermietende Sondereigentümer der WEG gegenüber für eine schuldhafte Pflichtverletzung seines Mieters hafte, § 14 Nr. WEG a.F., §§ 280, § 278 BGB (sog. Erfüllungsgehilfenhaftung). Da sich Diebstähle ereigneten, sei auch der Tausch der Schließanlage wegen fortbestehender Missbrauchsgefahr angemessen. Außerdem sei der verlorene Schlüssel der Anlage zuordenbar, weil er im Haus gestohlen wurde – anders bei einem irgendwo verlorenen Schlüssel ohne Aufschrift. Es sei nicht auszuschließen, dass ein Hausfremder den Schlüssel gestohlen habe, der unbemerkt blieb. Das lag schon deshalb nahe, weil ca. 10 min vergingen, bis ein Nachbar die Hilferufe aus dem Keller überhaupt bemerkte.
Obwohl bereits vor diesem Ereignis einzelne andere Schlüssel der Anlage fehlten, habe sich das Missbrauchsrisiko durch das Ereignis erhöht. Indessen sei ein Vorteilsausgleich in Höhe von 3/4 der Anschaffungskosten vorzunehmen (Wertsteigerung durch Ersatz einer gebrauchten Sache durch eine neue). Dieser Vorteil wirke sich im Fall auch aus, weil die Sicherungsfunktion nunmehr gestiegen sei, nachdem nunmehr sämtliche Schlüssel vorhanden und nachweisbar seien. Aufgrund verlorener Schlüssel in den letzten 24 Jahren sei die Sicherungsfunktion nämlich bereits beeinträchtigt gewesen. Die WEG hätte aber darlegen müssen, wie viele Schlüssel zuvor verloren worden seien, insb. wie viele Schlüssel für die Schließanlage hergestellt wurden wo jeder einzelne Schlüssel verblieben sei.
Die Höhe des sog. Abzugs neu für alt schätzte das Gericht gemäß § 287 ZPO. Grundsätzlich sei bei einer älteren Anlage die Abnutzung einer Schließanlage mit ca. 4-5% , aber nie 100 % solange die Anlage noch funktionsfähig ist und ihr eine Sicherungsfunktion zukommt, bemessen. Die Lebenszeit der Anlage habe sich hier allerdings nicht verlängert, weil nur Teile getauscht worden sind. Aber die Sicherungsfunktion sei wie ausgeführt bereits beeinträchtigt gewesen und nun wiederhergestellt. Allein für die nach 24jähriger Nutzung herabgesetzte Sicherungsfunktion sei ein Abzug von 75%, somit ca. 3% p. a., gerechtfertigt.
Noreen Walther
Rechtsanwältin