Räumungsfrist und Obliegenheit des auf Räumung verklagten Mieters zur Suche nach Alternativwohnraum
Wird der Wohnraummietvertrag durch den Vermieter gekündigt, ist der Mieter zur Räumung und Herausgabe verpflichtet. Kommt der Mieter dem aber nicht nach, weil er die Kündigung für unwirksam hält, ist die Erhebung einer Räumungsklage am Amtsgericht erforderlich. Das Gericht kann dem Mieter sodann, selbst wenn es der Klage stattgibt, eine angemessene weitere Räumungsfrist bewilligen. Das OLG Brandenburg hat sich im Beschluss vom 01.06.2021 zu Az. 3 W 56/21 mit der Frage beschäftigt, wie diese Frist, auch im Hinblick auf die Beschränkungen durch die sog. Corona-Pandemie, zu bemessen ist.
- Gesetzliche Regelungen
Gemäß § 721 ZPO kann das Gericht dem Mieter auf Antrag oder sogar von Amts wegen (also weil es das Gericht schlicht für angemessen hält) eine „den Umständen nach angemessene Räumungsfrist gewähren. Der Antrag ist vor dem Schluss der mündlichen Verhandlung zu stellen […] Die Räumungsfrist kann auf Antrag verlängert oder verkürzt werden. […] Die Räumungsfrist darf insgesamt nicht mehr als ein Jahr betragen. Die Jahresfrist rechnet vom Tage der Rechtskraft des Urteils oder, wenn nach einem Urteil auf künftige Räumung an einem späteren Tage zu räumen ist, von diesem Tage an.“ Für die Zwangsvollstreckung aus einem Räumungsvergleich gilt eine ähnliche Regelung, § 794a ZPO.
Hatte der Mieter nach Erhalt der Kündigung vorgerichtlich bereits vom Vermieter eine angemessene Räumungsfrist erfolglos begehrt, und erkennt der Mieter nach Klageerhebung den Räumungsanspruch sofort an, prüft das Gericht nochmals den Räumungsfristantrag. Bewilligt das Gericht eine entsprechende Nachfrist, kann das Gericht dem klagenden Vermieter sogar die Prozesskosten auferlegen, obwohl sein Räumungsanspruch begründet ist. Dieser gilt dann nur als zu früh gerichtlich geltend gemacht, vgl. § 93 b ZPO.
- Auffassung des OLG Brandenburg
Bei der Bewilligung der Frist sind die Interessen der Parteien „gegeneinander abzuwägen und anhand des Gesetzeszweckes – Vermeidung von Obdachlosigkeit – eine den Umständen des Einzelfalles angemessene Entscheidung zu treffen“.
Dabei müsse, so das Gericht, der Mieter darlegen und belegen, dass und wie er sich um Ersatzwohnraum erfolglos bemüht hat. Streitig ist stets, ob der Mieter bereits nach Erhalt der Kündigung, nach Klageerhebung oder erst nach Rechtskraft eines Urteils mit der Wohnraumsuche beginnen muss. Schließlich hält der Mieter das Räumungsanliegen des Mieters für unberechtigt und wehrt sich hiergegen zunächst durch Verteidigung vor Gericht.
Das o. g. Gericht vertritt nun die Ansicht, der Mieter müsse sich spätestens dann um Ersatzwohnraum bemühen, wenn er objektiv erkennen kann, dass seine Klageverteidigung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat. Er dürfe nicht einfach „unbekümmert auf die Abweisung der Räumungsklage hoffen“. Jedenfalls wenn die Wirksamkeit der Kündigung auf der Hand liege, er keine substantiierten Einwände vorbringen könne, beginne seine Obliegenheit
Eine Räumungsfrist sei nur dann zu bewilligen, wenn die noch zur Verfügung stehende Zeit unter Berücksichtigung aller Umstände nicht ausreiche, um dem Räumungsverlangen rechtzeitig nachzukommen.
Relevante Abwägungskriterien seien die Lage am Wohnungsmarkt, individuelle Bedürfnisse des Schuldners und die Ernsthaftigkeit seiner Bemühungen.
Besondere Bedürfnisse des Schuldners können übrigens (dazu sind im Beschluss aber keine Ausführungen enthalten) bspw. in seinem Gesundheitszustand, einer kurz bevorstehenden Prüfung und dergl. liegen.
Auch während der Corona Pandemie habe dieser Mieter jedenfalls innerhalb eines Zeitraumes von fünf Monaten Ersatzwohnraum finden können. Nähere Umstände dazu sind aber dem Beschluss nicht zu entnehmen.
Noreen Walther
Rechtsanwältin