OLG Dresden: Aufrechnung von Werklohnansprüchen in der Insolvenz des Bauunternehmers
Das Oberlandesgericht Dresden hatte sich in seiner Entscheidung vom 03.11.2010 (Az.: 1 U 605/10) mit der Frage zu befassen, ob und in welchem Umfang in der Insolvenz des Bauunternehmers mit Schadenersatzansprüchen gegen Werklohnansprüche aufgerechnet werden kann.
Sachverhalt
In dem zu entscheidenden Fall war der Insolvenzschuldner vor Verfahrenseröffnung mit der Erbringung von Werkleistungen im Bereich Sanitärinstallation beauftragt worden. Die Leistungen waren vollständig erbracht. Noch vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens legte der Insolvenzschuldner die Schlussrechnung. Die Ansprüche aus dieser Schlussrechnung machte der Insolvenzverwalter nach Verfahrenseröffnung geltend. Der Auftraggeber erklärte daraufhin die Aufrechnung mit Schadenersatzansprüchen wegen eines Wasserschadens an einem anderen Bauvorhaben. Diese Schadenersatzansprüche resultierten aus einem lange vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens angezeigten Schaden, bei dem der Insolvenzschuldner vor Verfahrenseröffnung Nachbesserungsarbeiten vorgenommen hatte. Erst weit nach Verfahrenseröffnung traten weitere Schäden auf, für die der Auftraggeber nun Schadenersatz verlangt.
Entscheidung
Das Oberlandesgericht Dresden entschied, dass die Aufrechnung der Schadenersatzansprüche gegen die Restwerklohnforderung unzulässig ist.
Eine Aufrechnung im Insolvenzverfahren ist nur zulässig, wenn sich die Forderungen entweder bereits vor Verfahrenseröffnung aufrechenbar gegenübergestanden haben (§ 94 InsO) oder aber wenn die Forderung des Insolvenzschuldners nach der Forderung des Auftraggebers fällig geworden ist (§ 95 InsO). In allen anderen Fällen ist eine Aufrechnung nach § 96 InsO ausgeschlossen. Eine Ausnahme von diesen Grundsätzen gibt es nach der Rechtsprechung des BGH (Urteil vom 24.11.2005, Az.: VII ZR 304/04) allerdings, wenn die sich gegenüberstehenden Forderungen auf dem gleichen Vertragsverhältnis beruhen. Für den Fall, dass die Werklohnforderung des Insolvenzschuldners vor der mängelbedingten Schadenersatzforderung des Auftraggebers fällig wird, der Insolvenzschuldner sie aber wegen des mängelbedingten Leistungsverweigerungsrecht des Auftraggebers aber nicht hätte durchsetzen können, wäre es ungerecht, wenn der Auftraggeber die mangelhafte Leistung vollständig vergüten müsste, obwohl ihm Mängelbeseitigungsansprüche oder Fertigstellungsmehrkosten zustehen.
Unter Anwendung dieser Grundsätze kam das Oberlandesgericht zu der Auffassung, dass die Aufrechnung im konkreten Fall nicht zulässig ist. Die Schadenersatzansprüche sind erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens fällig geworden, die Werklohnansprüche hingegen davor. Die Aufrechnungslage trat daher erst im Verfahren ein und unterliegt den Beschränkungen der §§ 95, 96 InsO. Die von der Rechtsprechung des BGH gebilligte Ausnahmesituation lag ebenfalls nicht vor, da es sich um unterschiedliche Bauvorhaben handelte.
Praxistipp
Die Aufrechnungsmöglichkeiten im Insolvenzverfahren bedürfen stets einer Einzelfallprüfung. Die Einzelheiten der insolvenzrechtlichen Aufrechnungsvorschriften sind kompliziert. Außerdem ist für jeden Einzelfall abzuprüfen, ob nach der Rechtsprechung des BGH eine Ausnahme von den Aufrechnungsverboten der §§ 95, 96 InsO gegeben ist.
Jacqueline Köppen
Rechtsanwältin