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Mieterwechsel in der Wohngemeinschaft

Möchten Mieter eine Wohngemeinschaft gründen, sind sie auch daran interessiert, unkompliziert einen Mitgliederwechsel durchführen zu können. Besonders prägnant ist dies bei studentischen Wohngemeinschaften. Aber auch Seniorengemeinschaften gewinnen an praktischer Bedeutung. Umstritten ist, inwieweit die Mieter einen entsprechenden Anspruch gegen den Vermieter durchsetzen können, dass dieser dem Wechsel eines Vertragspartners zustimmt.

 

Ausgangslage:

Dabei darf das Interesse des Vermieters an der Meidung eines häufigen Bewohnerwechsels nicht unbeachtet bleiben, z. B. wegen des Verwaltungsaufwandes bei der Datenpflege und Anspruchszuordnung für offene Forderungen – bspw. bei Betriebskostennachforderungen, des Prüfaufwandes zur Eignung und Solvenz des Nachmieters oder aber auch hinsichtlich der stärkeren Abnutzung durch umzugsbedingte Schmarren und Schäden an Wänden und Böden.

Den rechtlichen Ausgangspunkt bildet der Grundsatz der Vertragstreue, lateinisch: pacta sunt servanda -also: Verträge sind so zu erfüllen, wie sie geschlossen worden sind. Daraus folgt z. B.: Wer sich einmal einen Vertragspartner ausgewählt hat und mit diesem eine vertragliche Bindung eingegangen ist, dem soll kein anderer Vertragspartner gegen seinen Willen aufgedrängt werden können.

 

Rechtslage:

Dennoch wird in Rechtsprechung und Rechtsliteratur die Auffassung vertreten, der Vermieter müsse einem Mieterwechsel zustimmen, wenn ihm bei Vermietung bekannt war, dass es sich um eine Wohngemeinschaft handelt, die nicht auf Dauer angelegt sein soll. Lehne er dies ab, müsse er ein Wechselrecht besonders ausschließen, so jüngst das LG München I im Beschluss vom 17.02.2022, Az. 14 S 15283/21. Dies ergebe sich aus der gesetzlichen Nebenpflicht zur Rücksichtnahme, § 241 Abs. 2 BGB. Das Interesse der Mieter an Flexibilität sei schutzwürdig. Notfalls könne der Vermieter einen Nachmieter mangels Solvenz ablehnen. Die Entscheidung erscheint ziel- statt gesetzesorientiert und zudem unpraktikabel: Wie soll der Vermieter eine nicht auf Dauer angelegte Wohngemeinschaft von einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft unterscheiden, die ein solches Wechselrecht nach Ansicht des LG München I dagegen nicht verdient? Insb. in einer die sexuelle Identität und partnerschaftliche Lebensgemeinschaften betreffend immer variabler werdenden Gesellschaft?

Wenige Wochen später, am 27.04.2022, urteilte der BGH unter Az. VIII ZR 304/21 zu dieser Rechtsfrage. Er schloss sich mit der Vorinstanz, dem LG Berlin, eher vorsichtig der Gegenmeinung an. Grundsätzlich, so der BGH, folge aus dem Umstand der Vermietung an eine Wohngemeinschaft kein Wechselrecht der Mieter. Vermietet wurde eine 7-Raum-Wohnung an 6 etwa gleichaltrige junge Männer, wobei bereits bei Vertragsschluss handschriftlich eine Person „ausgetauscht“ wurde. Ca. 4 Jahre später wurden 5 der ursprünglichen Mieter einvernehmlich durch 6 andere „ersetzt“, die sodann lt. Vertrag „sowohl hinsichtlich der Abrechnung der Vorauszahlungen auf Betriebskosten als auch hinsichtlich des tatsächlichen Zustands der Wohnung so gestellt würden, als seien sie von vornherein Vertragspartei gewesen“ und die Miete erhöht. Kurze Zeit darauf wurde nochmals einer der Nachzügler durch eine andere Person in gleicher Weise „ersetzt“. Weitere 2 Jahre später begehrten die Mieter die Zustimmung zum Wechsel von 4 der Mieter, wobei deren Nachfolger bereits als Untermieter in der Wohnung wohnten. Nach Ansicht des LG Berlin und des BGH ergebe sich weder aus den vertraglichen Vereinbarungen noch aus gesetzlichen Nebenpflichten ein Zustimmungsanspruch gegen den Vermieter. Zum einen komme es darauf an, dass der Vertrag nicht etwa mit einer rechtsfähigen Außen-GbR (vgl. dazu die Erläuterungen im Leitfaden der Kanzlei unter VI.2.2.2.), sondern mit den einzelnen Mietern geschlossen worden sei. Zudem sei im Vertrag nochmals die gesamtschuldnerische Haftung erwähnt. Und die Nachträge seien jeweils von den ausscheidenden, eintretenden Mietern und vermieterseits unterzeichnet worden.

Ein Mieterwechsel bedarf einer entsprechenden Vereinbarung, die nicht geschlossen worden sei. Eine schematische Betrachtung bei Vermietung an mehrere Personen verbiete sich, vielmehr bedürfe es einer einzelfallbezogenen Auslegung des Mietvertrages. Ein gesetzlicher Wechselanspruch ist nicht normiert. Dem Flexibilitätsinteresse der Mieter habe der Gesetzgeber durch im Vergleich zum Vermieter kürzere Kündigungsfristen und die Möglichkeit der Untervermietung Rechnung getragen. Schutzwürdig sei auch die Dispositionsfreiheit des Vermieters. Dieser könne nämlich, wenn alle Mieter den Vertrag kündigen, die Wohnung höherpreisiger als im Bestand neu vermieten. Auch die Nachweisbarkeit bei Schäden am Mietobjekt und die Durchsetzbarkeit von Ansprüchen des Vermieters seien relevante Argumente. Die Interessenlage zwischen Mieter und Vermieter sei deshalb grds. gegenläufig.

Den Parteien stünde es frei, eine interessengerechte Lösung zu vereinbaren. Nur wenn beide Parteien ersichtlich davon ausgegangen seien, dass sich häufig ein Wechselbedarf ergeben werde und sich der Vermieter dessen bewusst für den Vertrag entscheidet, könne die Auslegung zu einem anderen Ergebnis führen. Jedoch genügten aber die Umstände im Fall (6 gleichgeschlechtliche, etwa gleichaltrige Personen) und die zweimalige Zustimmung zu einem konkreten Mieterwechsel, nicht, um für die Zukunft generell einen Wechselanspruch zu generieren.

 

 

Noreen Walther
Rechtsanwältin

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