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Merkantiler Minderwert bei Baumängeln

Bei der Abwicklung von Verkehrsunfallschäden ist der merkantile Minderwert eine anerkannte Schadenersatzposition. Er beziffert den Verkehrswertverlust der dadurch eintritt, dass ein Unfallwagen trotz Reparatur in der Regel einen geringen Verkaufspreis erzielt.

Der BGH hatte nunmehr einen Fall zu entscheiden (Urteil vom 06.12.2012 – VII ZR 84/10), in dem ein Bauherr neben dem Ersatz der Kosten für eine Mangelbeseitigung und Mietausfall auch einen Anspruch auf Ersatz des merkantilen Minderwerts des Gebäudes/Grundstücks geltend gemacht hat.

Sachverhalt

Die Klägerin begehrt Schadensersatz wegen mangelhafter Planungsleistungen der Beklagten. Sie ließ zwei baugleiche Mehrfamilienhäuser errichten. Die Beklagten erstellten die Tragwerksplanung und erbrachten die weiteren Planungsleistungen. Nach Fertigstellung der Bauvorhaben traten vielfältige Risse im Innen- und Außenputz auf. Diese wurden im Auftrag der Klägerin behoben. Die hierfür aufgewandten Beträge macht die Klägerin zusammen mit einem entstandenen Mietausfall geltend, soweit sie nicht von der Streithelferin der Beklagten getragen worden sind. Außerdem verlangt sie den Ersatz eines verbliebenen merkantilen Minderwertes in Höhe von 150.000 €.

Das Berufungsgericht hat die Beklagten verurteilt, als Gesamtschuldner an die Klägerin die aufgewandten Kosten für Mängelbeseitigung sowie Mietausfallschaden nebst Zinsen zu zahlen und hat den Klageantrag auf Ersatz des merkantilen Minderwerts abgewiesen.

Entscheidung

Anders der BGH, der den Anspruch auf Ersatz des merkantilen Minderwerts bestätigte und die Sache an das Berufungsgericht zurückverwies, da die Höhe des Schadenersatzanspruchs durch das Berufungsgericht zu ermitteln ist.

Der BGH führt zur Begründung aus, dass ein merkantiler Minderwert vorliegt, wenn nach erfolgter Mängelbeseitigung eine verringerte Verwertbarkeit gegeben ist, weil die maßgeblichen Verkehrskreise ein im Vergleich zur vertragsgemäßen Ausführung geringeres Vertrauen in die Qualität des Gebäudes haben.

Das Berufungsgericht hat richtig festgestellt, dass es sich bei den Gebäuden um marktgängige Objekte handelt, sodass deren Verwertbarkeit bei den maßgeblichen Verkehrskreisen grundsätzlich festgestellt werden kann. Es ist auch davon ausgegangen, dass ein redlicher Verkäufer einen Kaufinteressenten über die ausgeführten Mängelbeseitigungsarbeiten informiert.

Es sei davon auszugehen, dass es keinen „Markt für bestimmte Wertminderungen“ der hier vorliegenden Art gebe, so dass keine allgemeinen Parameter gefunden werden könnten, nach denen Abschläge zu bemessen seien. Es sei weiter davon auszugehen, dass die Wertminderung nur auf das konkrete Objekt bezogen, durch die individuellen Eigenschaften des geschädigten Objektes, unter Berücksichtigung der konkreten Schadensursache und den zum Wertermittlungsstichtag herrschenden allgemeinen Marktbedingungen vorgenommen werden kann.

Zur Ermittlung der Schadenshöhe sei eine Schätzung des Mindestschadens zulässig. Grundlage für die Schätzung durch das Gericht könne eine „Expertenbefragung“ sein. Grundsätzlich sei es der richtige  Ansatz festzustellen, wie sich der reparierte Schaden auf die Bereitschaft potentieller Kaufinteressenten am Markt zur Zahlung des vollen oder nur eines entsprechend geminderten Kaufpreises auswirken würde. Dies kann durchaus in der Weise geschehen, dass der Sachverständige Fachleute befragt, die den Markt kennen und in der Lage sind, fundierte Werteinschätzungen der betroffenen Gebäude abzugeben und dabei die Auswirkungen der durchgeführten Mängelarbeiten auf die Bereitschaft potentieller Kaufinteressenten, den üblichen Marktpreis mangelfreier Gebäude zu zahlen, einzuschätzen.

Praxistipp

Die Existenz und Höhe eines merkantilen Minderwerts hängt entscheidend von Art, Ausmaß und der Frage ab, ob der Mangel vollständig beseitigt werden kann oder nur die Mangelsymptome beseitigt wurden. So ist bei Tragwerks- oder Gründungsproblemen eher ein merkantiler Minderwert anzunehmen, als bei einem vollständig ersetzbaren Bauteil, wie einem falsch eingebauten Fenster.

Zur Problematik ist in Zukunft eine Fülle an Rechtsprechung zu erwarten, da die notwendige Schätzung auf der einen Seite für kreative Argumentationen anfällig ist und auf der anderen Seite wie auch bei Unfallfahrzeugen oder Mietminderungsansprüchen eine Systematik für die einheitliche Bemessung erfordert.

In jedem Fall sollte bei Baumängeln auch die Geltendmachung des merkantilen Minderwerts in Betracht gezogen werden.

Martin Alter
Rechtsanwalt