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Kündigung von Genossenschaftsanteilen durch den Insolvenzverwalter trotz Schutzvorschriften

Mit einem kürzlich veröffentlichtem Beschluss des AG Hamburg vom 17.11.2014 (Az.: 68c IK 619/14) hat ein Insolvenzgericht den neu eingeführten Kündigungsschutz der §§ 67c, 67b GenG bzgl. der Genossenschaftsanteile (anscheinend) torpediert.


Sachverhalt und Entscheidungsinhalt

Im dort gegenständlichen Insolvenzverfahren hielt der Insolvenzschuldner als Mitglied einer Wohnungsgenossenschaft 24 Anteile für eine 4-Zimmer-Wohnung mit einem Gesamtanteilswert in Höhe von 3.600,00 €. Alle 24 Anteile waren satzungsgemäß Pflichtanteile und Voraussetzung für den Erhalt der Wohnung. Ohne dass der Insolvenzverwalter selbst eine Kündigung der gesamten Anteile in Betracht gezogen hatte (dieser ging von einem frei kündbaren Betrag in Höhe von nur 1.600,00 € aus), entschied das Insolvenzgericht von Amts wegen im gerichtlichen Verfahrenskostenstundungsverfahren, dass die Genossenschaftsanteile im Gesamtbestand frei kündbar sind und eine freie Masse von 3.600,00 € vom Insolvenzverwalter bei der Wohnungsgenossenschaft einzuziehen ist.

Begründet wurde dies u. a. damit, dass nach Auffassung des Insolvenzgerichts eine Teilkündigung gemäß § 67c Abs, 1 Ziff. 2 2. Alt. GenG herab auf die Obergrenze von 2.000,00 € nur zulässig wäre, wenn hierbei noch ausreichend Pflichtanteile gezeichnet bleiben, die zum Erhalt der Wohnung berechtigen. Da vorliegend aber Anteile in Höhe von 3.600,00 € und nicht nur 2.000,00 € zum Erhalt der Wohnung notwendig waren, sei die gesetzlich gewollte Teilkündigung unzulässig und automatisch der gesamte Anteil kündbar. Dies ist sei begründet mit der Pflicht der Massegenerierung gemäß § 80 Abs. 1, 148 Abs. 1 InsO.

Dies ist bei genauerer Lektüre der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 17/11268, S. 39) zwar nachvollziehbar und auch von der hauptsächlichen Meinung der Fachliteratur so angenommen, gleichwohl suggeriert dies im allgemeinen Verständnis auch Nachteile für Schuldner und Wohnungsgenossenschaften. Im Ergebnis bedeutet dies nämlich, dass nur Mitgliedschaften insolvenzfest geschützt sind, die bis zu 2.000,00 € Anteile halten, darüber hinaus reichende Pflichtbeteiligungen sind dem gegenüber vollständig zur Finanzierung des Insolvenzverfahrens verwertbar.


Praxistipp

Die Wohnungsgenossenschaften sollten daher im Interesse ihrer Mitglieder und Nutzer als auch im eigenen Interesse der Beständigkeit und Dauerhaftigkeit von Nutzungsverhältnissen prüfen und eruieren, ob im Falle eines Überschießens der 2.000,00 €- Grenze nicht eine generelle Absenkung der Pflichtanteile nebst Umwandlung des „Überschusses“ in freiwillige Anteile (Geldanlage etc.) per Satzungsänderung zielführender und sicherer ist. Gemäß § 67b Abs. 1 GenG ist nämlich die Teilkündigung von freiwilligen Anteilen durch Gläubiger und Insolvenzverwalter jederzeit zum Ende des Geschäftsjahres möglich, die Kündigung von Pflichtanteilen bis zur 2.000,00 €- Grenze hingegen nicht.

Sofern bei Ihnen ähnlich gelagerte Fälle aktenkundig sind, bestünde für das insolvente Mitglied nur noch die Möglichkeit, einen Antrag beim zuständigen Insolvenzgericht wegen außergewöhnlicher Härte (§§ 36 Abs. 4 InsO i. V. m. § 765a ZPO) zu stellen.

Andernfalls muss das Mitglied die gesamten Anteile aus seinem pfändungsfreien Vermögen oder von Dritten finanziert vollständig neu aufbringen und einzahlen, um Mitglied in Ihrer Genossenschaft und Wohnungsrechteinhaber zu bleiben.

 

Sebastian Tempel
Rechtsanwalt

Aktuelle Informationen Nr. 27/2015

Rechtsanwälte Strunz ♦ Alter, Chemnitz