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Kündigung des Wohnungsmietvertrages auch bei typischem Wohnverhalten (TA-Lärm)

Das Amtsgericht Hamburg hat entschieden, dass Mieter auch wegen sonst üblichem Wohnverhalten außerordentlich gekündigt werden können (Urteil vom 11.02.2025 – Az. 21 C 344/24). Damit kann Vermietern künftig eine Argumentationshilfe zur Seite stehen, die eigentlich legitimen Verhaltensweisen von Mietern gleichwohl für eine Kündigung in Betracht zu ziehen.

 

Sachverhalt

Die Klägerin, eine Wohnungsgenossenschaft, kündigte das Mietverhältnis mit einer fast 80-jährigen und unter Betreuung stehenden Beklagten für deren 116 m² große Altbauwohnung außerordentlich und verklagte auch den mit in der Wohnung lebenden volljährigen Sohn. Beide störten regelmäßig und dauerhaft die Abend- und Nachtruhe im Haus durch fortwährendes lärmverursachendes Verhalten (Baden und Duschen, Staubsaugen, Waschmaschine, lautes Streiten, Möbelrücken, Türenknallen und Fensterschlagen) woraufhin sich andauernde andere Mieter der Hausgemeinschaft beschwerten. Entsprechende belastbare Lärmprotokolle lagen vor.

Die Mieterin wurde mehrfach fruchtlos abgemahnt, Gesprächsangebote der Vermieterin wurden ignoriert. Die daraufhin ausgesprochene Kündigung wurde auf die belegbar stundenlangen nächtlichen Wohngeräusche mit hoher Intensität an regelmäßigem Lärm gestützt, da das Maß eines sozialadäquaten Wohnverhaltens weit überschritten sei. Die Mieterin berief sich auf die Toleranzpflicht der Nachbarn und des Vermieters sowie auf gesundheitliche Erfordernisse. Das Amtsgericht hat der Räumungsklage der Vermieterin gleichwohl stattgegeben.

 

Entscheidung

Der Klägerin steht gegen Mieterin und deren Sohn ein Räumungs- und Herausgabeanspruch zu §§ 546 Abs. 1 und 2, 549 Abs. 1, 543 Abs. 1, 569 Abs. 2 BGB zu. Ein wichtiger Grund im Sinne der Kündigungsvorschriften liegt explizit vor, wenn eine Vertragspartei den Hausfrieden derart nachhaltig stört, dass dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere eines Verschuldens der Vertragsparteien und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Mietverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zur sonstigen Beendigung des Mietverhältnisses nicht zugemutet werden kann. Im vorliegenden Fall hat das Amtsgericht Hamburg unter Bezugnahme auf die TA-Lärm (Sechste Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum Bundes-Immissionsschutzgesetz – Technische Anleitung zum Schutz gegen Lärm) vorangestellt, dass die übliche Nachtzeit zwischen 22:00 Uhr und 6:00 Uhr (erhöhte Rücksichtnahmepflicht ab 22:00 Uhr; zwischen 0:00 Uhr und 06:00 Uhr deutlich erhöht) feststeht.

Selbst das üblicherweise typische Wohnverhalten (z. B. Duschen und Baden, Staubsaugen, Rücken von Möbeln sowie Unterhaltungen) kann wegen Störung des Hausfriedens zu einer außerordentlichen Kündigung des Wohnraummietvertrages führen. Maßstab hierfür ist, dass das sozialadäquate Maß der Wohnungsnutzung überschritten ist und eine Fortsetzung des Mietverhältnisses für den Vermieter unzumutbar ist. Das regelmäßige Duschen und Baden der Mieterin zur Nachtzeit von bis zu einer Stunde, z. T. bis zu zwei bis drei Stunden in Verbindung mit regelmäßig wiederkehrenden Tätigkeiten wie nächtlichem Staubsaugen und Möbelrücken, überschreitet jedenfalls im vorliegenden Fall das sozialadäquate Maß, das die weiteren Bewohner eines Hauses im Rahmen der gegenseitigen Rücksichtnahme und Toleranz zu dulden haben.

 

Sebastian Tempel
Rechtsanwalt

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