Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitgeber wegen altersbedingt eingetretenen Rentenanspruchs unwirksam
Im Urteil vom 23.07.2015, Aktenzeichen 6 AZR 457/14, verkündete das BAG, dass wegen eines altersbedingt eingetretenen Rentenanspruchs nur der Arbeitnehmer das Arbeitsverhältnis kündigen kann, nicht aber der Arbeitgeber. Eine Kündigung des Arbeitgebers ist hiernach aufgrund einer Berechtigung zum Bezug von Altersrente altersdiskriminierend. Eine diskriminierende Kündigung ist sowohl unwirksam als auch entschädigungspflichtig gemäß § 15 Abs.2 AGG.
Inhalt der Entscheidung
Der Fall des BAG betraf eine am 20.01.1950 geborene medizinisch-technische Assistentin (MTA), welche seit 1991 in einer Gemeinschaftspraxis mit nur fünf Arbeitnehmern als Arzthelferin beschäftigt war. Wegen Veränderungen in der Praxis und damit verbundener Umstrukturierungen erhielt die MTA im Mai 2013 die ordentliche Kündigung zum 31.12.2013. Zur Begründung wurde im Kündigungsschreiben angeführt, dass die 63-jährige MTA „pensionsberechtigt“ sei. Die anderen, jüngeren Angestellten erhielten keine Kündigung.
Daraufhin erhob die MTA Kündigungsschutzklage und Klage auf Zahlung einer Geldentschädigung wegen erlittener Altersdiskriminierung auf Grundlage von § 15 AGG. Sie berief sich auf die Erwähnung der Pensionsberechtigung im Kündigungsschreiben, die sie als Indiz für eine Diskriminierung wegen ihres Alters im Sinne von § 22 AGG ansah. Auf den allgemeinen Kündigungsschutz nach dem Kündigungsschutzgesetz konnte sich die MTA nicht berufen, da der Betrieb mit nur fünf Arbeitnehmern ein Kleinbetrieb im Sinne von § 23 I KSchG war.
Das Arbeitsgericht Leipzig und auch das Sächsische Landesarbeitsgericht wiesen die Klage der MTA ab. Vor dem BAG hatte die Klägerin mit ihrer Revision jedoch Erfolg. Das BAG hielt die Kündigung des Arbeitgebers für unwirksam, weil hier ein Verstoß gegen das Verbot der Altersdiskriminierung im Sinne von § 7 AGG vorlag. Der Arbeitgeber habe danach nach Ansicht des Gerichts „keinen ausreichenden Beweis dafür angeboten, dass die wegen Erwähnung der Pensionsberechtigung zu vermutende Altersdiskriminierung nicht vorliegt“. Unter solchen Umständen ist nach Ansicht des Gerichts eine diskriminierende Kündigung „auch im Kleinbetrieb unwirksam“. Das Landesarbeitsgericht hat noch über die Höhe des Entschädigungsanspruchs zu entscheiden.
Praxistipp
Wer als Arbeitnehmer eine gesetzliche Altersrente beziehen könnte, verliert aus diesem Grund nicht automatisch bzw. von Gesetzes wegen sein Arbeitsverhältnis. Es sollte deshalb, wenn nicht in einem anzuwendenden Tarifvertrag bereits vorhanden, im Arbeitsvertrag vertraglich eine sogenannte „Rentenaltersklausel“ mit dem Arbeitnehmer vereinbart werden, welche besagt, dass das Arbeitsverhältnis mit dem Erreichen des gesetzlichen Rentenalters automatisch endet. Existiert eine solche Klausel im Arbeitsvertrag nicht, sollte der Arbeitgeber mit dem Arbeitnehmer bei Erreichen des gesetzlichen Rentenalters einen Aufhebungsvertrag zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses abschließen, da allein der Arbeitnehmer ein Arbeitsverhältnis zu Gunsten einer Rente kündigen kann.
René Illgen
Rechtsanwalt
Aktuelle Informationen Nr. 30/2015
Rechtsanwälte Strunz ♦ Alter, Chemnitz