Kostenverteilung in Wohnungseigentümergemeinschaften
Im Zuge der großen Reform des Wohnungseigentumsrechts zum 1.12.2020 hat der Gesetzgeber auch neue Beschlusskompetenzen eingeführt. So steht es seither den Wohnungseigentümern frei, durch einfachen Mehrheitsbeschluss für Kosten und Kostenarten eine neue Verteilung zu beschließen. Der Bundesgerichtshof hat im Urteil vom 22.03.2024 zu Az. V ZR 81/23 grundlegend zu den Grenzen der Beschlusskompetenz Stellung genommen.
Zum Sachverhalt
Der Anfechtungskläger ist Eigentümer mehrerer Doppelparkerstellplätze in einer Gemeinschaft der Wohnungseigentümer (neuerdings abgekürzt: GdW). Er konnte diese wegen eines Defekts der Hebeanlage nicht mehr vollständig nutzen und verlangte seit 2018 von der GdW Sanierung der Anlage. In der Gemeinschaftsordnung war – in Übereinstimmung mit der gesetzlichen Ausgangslage – vereinbart, dass sämtliche Erhaltungskosten nach Miteigentumsanteilen zu verteilen sind.
Daraufhin beschlossen die Eigentümer im Jahr 2021 eine Änderung des Kostenverteilerschlüssels dahingehend, dass Erhaltungskosten in Bezug auf Doppelparker allein deren Teileigentümer gemeinschaftlich tragen. Dieser Beschluss war Gegenstand der Entscheidung.
Die Entscheidung
Das Gericht stellte zunächst fest, dass der Beschluss dahingehend auszulegen sei, dass allein die auf das Gemeinschaftseigentum bezogenen Kosten vom Beschluss betroffen sein sollen, die Eigentümer aber nicht die Absicht hatten, auch die auf im Sondereigentum stehenden Teile bezogenen Kosten mit zu regeln. Deshalb war der Beschluss nicht mangels Beschlusskompetenz nichtig.
Knackpunkt war aber die Frage, ob die neue Gesetzesfassung den Eigentümern nur die Befugnis einräumt, zwischen den ohnehin Kostentragungspflichtigen eine Neuverteilung zu beschließen oder ob auch die Befugnis besteht, einzelne Eigentümer von einer Kostenbelastung in Bezug auf eine Kostenposition gänzlich auszunehmen.
Hintergrund war die vor der Reform vom BGH noch vertretenen Auffassung zur alten Rechtslage. Damals bestand die Kompetenz gemäß § 16 Absatz 3 WEG a. F. durch Stimmenmehrheit die Betriebs- und Verwaltungskosten nach Verbrauch oder Verursachung oder einem anderen Maßstab neu zu verteilen sowie gemäß § 16 Abs. 4 WEG mit doppelt qualifizierter Mehrheit im Einzelfall zur Instandhaltung oder Instandsetzung die Kostenverteilung abweichend zu regeln, wenn der abweichende Maßstab der Möglichkeit des Gebrauchs durch die Wohnungseigentümer Rechnung trägt.
Der BGH hatte im Urteil vom 1.6.2012 zu Az. V ZR 225/11 und vom 13.05.2016 zu Az. V ZR 152/15 vertreten, dass diese gesetzliche Regelung nicht die Befugnis begründe, einzelne Eigentümer erstmals mit bestimmten Kosten zu belasten. Weitere Gerichte und Literaturmeinungen folgerten auch für den Umkehrschluss, dass einzelne Eigentümer auf dieser Grundlage auch nicht von der Kostentragung freigestellt werden dürften. Vielmehr solle der Kreis der Kostentragungspflichtigen gleichbleiben und nur die Kostenverteilung zwischen Ihnen anders gewichtet werden können. Entsprechend umstritten war die Rechtslage seit der Reform 2020.
Der BGH stellt nunmehr 2024 klar, dass seit 1.12.2020 auch der Kreis der Kostenschuldner verändert, also einzelne Eigentümer erstmals belastet oder befreit werden können.
Die gesetzliche Neufassung des § 16 Absatz 2 WEG begründe eine neue Kompetenz ohne inhaltliche Beschränkungen oder Stimmrechtsquoten.
Einzige Grenze sei die generelle Änderung des Kostenverteilungsschlüssels. Das heißt, die Neuverteilung der Miteigentumsanteile an sich kann nicht beschlossen, sondern nur vereinbart werden.
Ziel des Gesetzgebers sei eine höhere Verteilungsgerechtigkeit, welche nicht nur durch Änderung des Umlagemaßstabes, sondern auch durch Änderung des Schuldnerkreises erreicht werden könne.
Der Gemeinschaft komme bei der Neuverteilung ein Gestaltungsspielraum zu, jedoch dürften nicht Einzelne ungerechtfertigt benachteiligt werden. Jedenfalls aber enzspricht ein Neuverteilungsbeschluss ordnungsgemäßer Verwaltung, wenn dieser der Gebrauchsmöglichkeit Rechnung trägt.
Noreen Walther
Rechtsanwältin