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Kinderlärm bleibt weiterhin zumutbar – auch im Bauplanungsrecht

Grundsätzlich ist mittlerweile Jedem bekannt, dass Lärm durch spielende Kinder auf Spielplätzen prinzipiell und in üblicher Ausprägung hinzunehmen ist. Das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz in Koblenz hat dies am 17.10.2017, veröffentlicht am 17.11.2017, unter dem Az. 1 C 11131/16 im öffentlich-rechtlichen Kontext nochmals ausdrücklich bestätigt.

Bereits in unserer Allgemeinen Information Nr. 38/2017 vom 27.09.2017 wurde Kinderlärm in Wohngebieten mit einigen BGH-Entscheidungen thematisiert, letztlich mit dem Schluss, dass Kinderlärm in gewissem Ausmaß großzügig hinzunehmen sind.

Sachverhalt:

Die aktuelle Entscheidung des Oberverwaltungsgericht Koblenz fiel im Rahmen eines Normenkontrollverfahrens für einen aufgestellten Bebauungsplan. Die daher im Verwaltungsrecht angeordnete Entscheidung hatte sich im Rahmen einer geplanten Änderung eines Bebauungsplanes zu bewegen. Die Änderung des Bebauungsplanes beabsichtigte die Herstellung eines Kinderspielplatzes in unmittelbarer Nachbarschaft eines Grundstückseigentümers (Antragsteller). Der Grundstückseigentümer machte hierauf aus verschiedenen Gründen eine erhebliche Wertminderung seines Grundstücks geltend. Explizit sei der zu erwartende Kinderlärm als unzumutbare Lärmbeeinträchtigung einzustufen, was sein Eigentum entwerte.


Die Entscheidung:

Das Oberverwaltungsgericht in Koblenz entschied in dieser Angelegenheit letztlich, dass die Herstellung eines Kinderspielplatzes auf dem über 1.000 m² großen Grundstück jedenfalls ermöglicht werden kann. Explizit sei auch die Einholung eines Gutachtens zur Ermittlung von Lärmimmissionen der spielenden Kinder nicht einzuholen, da vorliegend bereits das Bundesimmissionsschutzgesetz als spezielle Regelung die Geräuscheinwirkungen, die von spielenden Kindern auf Kinderspielplätzen hervorgerufen würden, im Regelfall als nicht schädliche Umwelteinwirkungen einstuft.

Explizit wurden die Geräusche spielender Kinder als Ausdruck der kindlichen Entwicklung und Entfaltung als besonders schutzwürdig und für die Allgemeinheit grundsätzlich zumutbar qualifiziert. Zwar gehört eine (planbedingte) Zunahme von Lärm grundsätzlich zum Abwägungsmaterial bei der Erstellung von Bebauungsplänen. Gleichwohl ist nach Auffassung des Senats zu beachten, dass bestimmte Lärmimmissionen den betroffenen Nachbarn aus sonstigen Gründen regelmäßig zugemutet werden müssen und können. Explizit enthält § 22 Abs. 1 a BImSchG eine Spezialvorschrift, die diese Spielgeräusche von Kindern als nicht schädliche Umwelteinwirkungen qualifiziert. Zudem ist geregelt, dass diese Geräuscheinwirkungen nicht den üblichen Immissionsgrenz- und Richtwerten unterliegen. Tenor der Entscheidungsbegründung ist u. a. auch, dass ein besonderes Toleranzgebot der Gesellschaft für spielende Kinder zu erwarten ist.


Praxishinweise:

Obgleich diese Entscheidung im Rahmen öffentlicher Vorschriften ergangen ist, lassen sich die dortigen Grundsätze durchaus auch auf die zivilrechtlichen Mietverhältnisse übertragen. Demnach dürfte das hohe Gut der sozialadäquaten und von der Gesellschaft zu tolerierenden Geräuschkulisse spielender Kinder auch regelmäßig keine zivilrechtlichen Mietminderungen begründen.

Sonderfälle wurden im öffentlichen Recht zwar für die unmittelbare Nachbarschaft von Krankenhäusern und Pflegeanstalten ausgemacht, gleichwohl dürfte auch dann eine Abwägung durch Mieter und Vermieter im Innenverhältnis stets einzelfallbezogen anhand aller in Betracht kommenden Maßstäbe zu prüfen sein.

Dies spielt vor allen Dingen für Eigentümer/ Vermieter eine Rolle, die in ihren Beständen und Wohngebieten auch Kinderspielplätze unterhalten, errichten oder dulden. Gleichwohl sollten hier aber auch entsprechende Nutzungszeiten von Kinderspielplätzen beachtet werden, gerade mit Blick auf die aktuelle BGH-Rechtsprechung (s. o.). Keine Aussage hat das Oberverwaltungsgericht nämlich dazu getroffen, in welcher Art oder in welchem Ausmaß Kinderlärm vorliegend als sozialadäquat einzustufen ist.

Sebastian Tempel
Rechtsanwalt

Aktuelle Information Nr. 46/2017

Rechtsanwälte Strunz ♦ Alter, Chemnitz