Keine Dringlichkeitsprüfung bei einstweiliger Räumungsverfügung nach § 940 a Abs. 2 ZPO
Viele Vermieter wurden bereits mit dem Problem konfrontiert, dass sich nach erfolgreich erstrittenem Räumungstitel bei der Zwangsräumung herausstellt, dass die Mieträume nicht nur von dem verurteilten Mieter, sondern von weiteren Personen bewohnt werden, von denen der Vermieter bisher keine Kenntnis hatte. Das führt dazu, dass der Gerichtsvollzieher die Zwangsräumung abrechen muss. Neben der Erhebung einer weiteren – meist langwierigen – Räumungsklage ermöglicht § 940 a Abs. 2 ZPO die meist kurzfristige Anordnung einer einstweiligen Räumungsverfügung.
Nach der Gesetzesbegründung soll § 940 a Abs. 2 ZPO der Entlastung der Gerichte dienen (vgl. OLG Dresden, Urteil vom 29. November 2017 – 5 U 1337/17; Schmidt-Futterer/Streyl, 16. Auflage 2024, ZPO § 940 a, Rn. 20). Die Kanzlei vertritt daher die Ansicht, dass anders als bei den Leistungsverfügungen i.S.v. §§ 935, 940 ZPO keine Eilbedürftigkeit vorliegen muss und so keine Dringlichkeitsprüfung notwendig ist.
Der Fall
Die Kanzlei erhielt 2025 den Auftrag gegen zwei Personen, die ohne mietvertragliche Berechtigung Mieträume bewohnten, einen Räumungstitel zu erwirken. Die Mandantschaft hatte bereits selbst im Jahr 2023 nach Zahlungsverzugskündigung ein Räumungsurteil gegen den Mieter erstritten. Die sich anschließende Zwangsräumung wurde vom zuständigen Gerichtsvollzieher abgebrochen nachdem dieser den Mitbesitz von zwei weiteren Personen an der Wohnung festgestellt hatte. Aufgrund der Zusicherung des verurteilten Mieters, die Zahlungsrückstände zu begleichen, sah die Mandantschaft zunächst von der Ergreifung weiterer Maßnahmen bis zum Jahr 2025 ab.
Nach Erhalt des Mandats beantragte die Kanzlei sodann den Erlass einer einstweiligen Räumungsverfügung i.S.v. 940a Abs. 2 ZPO beim zuständigen Amtsgericht. Nachdem das Amtsgericht den Erlass der Räumungsverfügung mangels Eilbedürftigkeit zurückgewiesen hat, legte die Kanzlei sofortige Beschwerde beim Landgericht Dessau-Roßlau ein.
Die Entscheidung
Mit Beschluss vom 22.07.2025, Aktenz. 8 T 126/25, hat das LG Dessau-Roßlau den Beschluss des Amtsgerichts aufgehoben und das Verfahren zur erneuten Behandlung sowie Entscheidung an das Amtsgericht zurückverwiesen. In der Begründung folgt das LG vollumfänglich den Ausführungen hiesiger Kanzlei und bestätigt die von uns vertretene Rechtsauffassung. Nach Ansicht des LG ist die Räumung von Wohnraum nach § 940a Abs. 2 ZPO mittels einstweiliger Verfügung anzuordnen,
- wenn ein Dritter im Besitz der Mietsache ist,
- gegen den Mieter ein vollstreckbarer Räumungstitel vorliegt
- und der Vermieter vom Besitzerwerb des Dritten erst nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung über die Räumungsklage gegen den Mieter Kenntnis erlangt hat (Verfügungsanspruch).
Der Verfügungsgrund für den Erlass der einstweiligen Verfügung liegt in der fehlenden Besitzberechtigung des Dritten gegenüber dem Vermieter.
Das Vorliegen sämtlicher Voraussetzungen wurden durch die Kanzlei glaubhaft gemacht. Entgegen den Darlegungen des Amtsgerichts bedarf nach Ansicht des LG Dessau-Roßlau einer besonderen Dringlichkeit oder Eilbedürftigkeit für eine nach § 940a Abs. 2 ZPO zu treffende Entscheidung gerade nicht. Eine solche Voraussetzung folgt weder aus dem Wortlaut der Norm und wird auch nicht von Literatur und Rechtsprechung vorausgesetzt.
Liegen die Voraussetzungen des § 940 a Abs. 2 ZPO vor, so ist dem Verfügungsantrag nach Ansicht des LG Dessau-Roßlau wegen der besonderen Eilbedürftigkeit von Besitzschutzansprüchen stattzugeben, ohne dass noch ein wesentlicher Nachteil i. S. des § 940 ZPO glaubhaft gemacht werden müsse (Stein/Bruns, 23. Aufl. 2020, ZPO § 940a Rn. 2, beck-online). Ziel des Verfahrens sei es dem Vermieter ohne ein weiteres langwieriges Verfahren einen Räumungstitel zu verschaffen. Der Erlass einer einstweiligen Verfügung könne daher nicht mit dem Hinweis auf zu langes Zuwarten oder fehlende Eilbedürftigkeit abgelehnt werden (so auch LG Frankfurt, Beschluss vom 02.04.2020, 2-11 T33720; Zöller, 34. A., § 940a, Rn. 5).
Eva-Maria Meichsner
Rechtsanwältin