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Ist die vom Bauträger erstellte Gemeinschaftsordnung einer WEG ein AGB-Klauselwerk?

Nach dem Urteil des BGH vom 20.11.2020 zu Az. V ZR 196/19 handelt es sich bei der vom Bauträger erarbeiteten Gemeinschaftsordnung einer WEG nicht um allgemeine Geschäftsbedingungen, auch wenn der Bauträger ein Unternehmer ist und die Käufer als Verbraucher anzusehen sind.

 

Der Fall

In der vom Bauträger erstellten Gemeinschaftsordnung einer großen WEG war geregelt, dass für die Ordnungsmäßigkeit der Einberufung einer Eigentümerversammlung die Absendung an die dem Verwalter zuletzt mitgeteilte Adresse genüge, der Zugang beim Empfänger damit nicht erforderlich ist.

Mehrere Eigentümer gaben an, weder umgezogen zu sein noch die Einladung erhalten zu haben, und fochten die Wiederbestellung des Verwalters an.

 

Die Entscheidung

Der BGH stellte zunächst wiederholend klar, dass nach der Gesetzeslage vor der Reform die Ladungsfrist 2 Wochen betragen habe (seit 01.12.2020 beträgt sie übrigens 3 Wochen, d. V.) und für die Rechtzeitigkeit der Zugang der Einladung beim Eigentümer maßgebend gewesen ist, § 130 BGB; vgl. BGH Az. V ZR 241/12.

Scheitert der Zugang einzelner Ladungen aufgrund von Postversehen, sei die Anfechtung aber nur dann erfolgreich, wenn dies Auswirkungen auf das Abstimmungsergebnis haben konnte, so schon BGH Az. V ZR 159/19. Erhalte ein Eigentümer die Ladung nicht, weil er es selbst versäumt hatte, seine neue Adresse mitzuteilen, könne er deswegen nicht anfechten, so BGH Az. V ZR 241/12.

Sodann verwies der BGH auf den klaren Wortlaut der Klausel. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts sei bei einer solchen Formulierung gerade nicht maßgeblich, ob ein Adresswechsel stattgefunden habe. Auch ohnedem genüge die Absendung an die zuletzt mitgeteilte Adresse.

Die Klausel sei nicht gemäß § 308 Nr. 6 BGB (Verbot formularmäßiger Zugangsfiktionen) unwirksam, weil es sich bei der Gemeinschaftsordnung nicht um AGB handele. Zunächst handele es sich gerade nicht um Vertragsbedingungen. Sobald die Gemeinschaftsordnung vom Bauträger nicht mehr einseitig geändert werden könne, stehe sie einer Vereinbarung gleich. Der Eintritt in die Gemeinschaftsordnung erfolge kraft Gesetzes und nicht durch Vertragsannahme, die Gemeinschaftsordnung sei nicht Bestandteil des Kaufvertrages (der seinerseits dagegen sehr wohl eines Angebots und einer Annahme bedarf – d. V.). Der Bauträger scheide gewöhnlich irgendwann aus, die Gemeinschaftsordnung solle aber auf Dauer die Beziehungen unter den Eigentümern (ähnlich einer Vereinssatzung) und nicht zwischen Erwerber und Veräußerer regeln.  Durch Vereinbarung könnten die Eigentümer später die Gemeinschaftsordnung (auch ohne den inzwischen ausgeschiedenen Bauträger – d. V.) wieder ändern. Das WEG enthalte zum Schutz der Eigentümer eigene spezielle Schranken für unabänderliche gesetzliche Regelungen.

Gravierende Rechtsverletzungen in GO-Klauseln, wie der Entzug von Stimmrechten bei Hausgeldverzug, seien schon nach §§ 134, 138 BGB unwirksam, ohne dass es der Anwendung des AGB-Rechts bedürfe, vgl. BGH Az. V ZR 60/10. Einem Missbrauch der Gestaltungsmacht des teilenden Bauträgers begegne der Grundsatz von Treu und Glauben, § 242 BGB.

Allerdings müsse – und hier wird es interessant – dann doch die europäische Klauselrichtlinie 93/13/EWG über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen herangezogen werden, wenn die Gemeinschafts-ordnung vorschreibt, dass die Eigentümer als Verbraucher bestimmte Verträge mit Außenstehenden abschließen müssten oder wenn sie einen Verwaltervertrag gleich mit beinhalte.

Die im Fall zu beurteilende Klausel regele dagegen nicht das Verhältnis der Eigentümer zum Veräußerer sondern untereinander. Sie greife jedenfalls nicht schwerwiegend in unverzichtbare Mitgliedschaftsrechte ein.

 

 

Noreen Walther

Rechtsanwältin

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