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Haftung für Rückstauschäden durch Wurzeleinwuchs in Abwasserkanäle

Der BGH hat mit Urteil vom 24.08.2017, Az. III ZR 574/16 entschieden, dass Eigentümer von baumbestandenen Grundstücken nur unter besonderen Umständen für Rückstauschäden haften, die durch Wurzeleinwuchs in Abwasserkanäle entstehen.


Sachverhalt

Die Klägerin ist Eigentümer eines Hausgrundstücks, das an die städtische Schmutz- und Regenwasserkanalisation angeschlossen ist und an einen im Eigentum der beklagten Gemeinde stehenden Wendeplatz grenzt, auf dem ein Kastanienbaum angepflanzt ist. Nach der Abwasserbeseitigungssatzung der Beklagten hat sich jeder Anschlussnehmer gegen Rückstau des Abwassers aus den öffentlichen Abwasseranlagen bis zur Rückstauebene selbst zu schützen. Das Anwesen der Klägerin verfügt nicht über eine solche Rückstausicherung. In der Nacht vom 05. auf den 06.07.2012 fiel starker Regen. Die Regenwasserkanalisation konnte die anfallenden Wassermassen nicht mehr ableiten, weil Wurzeln der auf dem Wendeplatz befindlichen Kastanie in den Kanal eingewachsen waren und dessen Leistungsfähigkeit stark einschränkten. Deshalb kam es zu einem Rückstau im öffentlichen Kanalsystem und auf dem Grundstück der Klägerin zum Austritt von Wasser aus einem unterhalb der Rückstauebene gelegenen Bodenlauf in den Keller. Die Klägerin macht geltend, durch den Rückstau des Wassers und die in dessen Folge eingetretene Überschwemmung in ihrem Keller, sei ihr ein Schaden von 30.376,72 € entstanden, auf den sie sich allerdings wegen eigenem Mitverschuldens im Hinblick auf das Fehlen einer Rückstausicherung 1/3 anrechnen lasse, so dass sie einen Betrag von 20.251,14 € verlangen könne.


Entscheidungsgründe

Der BGH hat entschieden, dass Verkehrssicherungspflichten des Eigentümers eines baumbestandenen Grundstücks wegen der Verwurzelung eines Abwassersystems zwar nicht von vornherein ausgeschlossen sind, jedoch nur unter besonderen Umständen in Betracht kommen.

Dabei hängt es von den konkreten Umständen des jeweiligen Einzelfalles ab, ob und in welchem Umfang bzw. mit welcher Kontrolldichte ein Grundstückseigentümer im Rahmen seiner Verkehrssicherungspflicht für einen auf seinem Grundstück stehenden Baum Kontroll- und Überprüfungsmaßnahmen auch in Bezug auf die mögliche Verwurzelung eines Abwasserkanals durchführen muss. Dabei seien zunächst die räumliche Nähe des Baums und seiner Wurzeln zu dem Abwassersystem sowie Art und Gattung, Alter und Wurzelsystem (Flachwurzler, Herzwurzler, Tiefwurzler) des Baumes zu berücksichtigen. Welche Art die Kontrollpflichten seien, hänge hier von der Zumutbarkeit für den Grundstückseigentümer im Einzelfall ab. Dabei müsse er regelmäßig nicht den Kanal selbst überprüfen, zu dem er meist keinen Zugang habe.

Die Beklagte hätte hier als Eigentümerin des baumbestandenen Grundstückes und zugleich als Betreiberin des öffentlichen Abwassersystems den unmittelbaren Zugang zum gesamten ober- und unterirdischen von dem Kastanienbaum ausgehenden Gefahrenbereich gehabt. Soweit im Rahmen ohnehin gebotener Inspektion des Kanals die Einwurzelungen erkennbar gewesen wären, hätte sie als Grundstückseigentümerin die Pflicht gehabt, dies rechtzeitig zu beseitigen. Zu diesen Voraussetzungen muss das Berufungsgericht noch entsprechende Feststellungen nachholen.

Eine Haftung wegen einer möglichen Verkehrssicherungspflichtverletzung der Beklagten werde auch nicht dadurch ausgeschlossen, dass die von der Klägerin gegen einen möglichen Rückstau zu treffenden Vorkehrungen unzureichend waren. Die aus der Satzung folgende Obliegenheit von Grundstückseigentümern, selbst für eine Sicherung gegen Rückstauschäden zu sorgen, gelte nur im Verhältnis zum Kanalbetreiber. Die Beklagte Stadt haftet im Streitfall jedoch nicht in dieser Funktion, sondern als Eigentümerin des Baumgrundstücks. Es komme daher nur eine Kürzung des etwaigen Schadenersatzanspruchs wegen Mitverschuldens der Klägerin gem. § 254 Abs. 1 BGB in Betracht.

René Illgen
Rechtsanwalt