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Energiepreisänderungen in der Grundversorgung

Der VIII. Senat des Bundesgerichtshofs hat sich in zwei Urteilen vom 28.10.2015 (VIII ZR 158/11 und VIII ZR 13/12) mit der Frage auseinander gesetzt, welche Auswirkungen die Unwirksamkeit der Preisänderungsregelung in § 4 Abs. AVBGasV hat.

Hintergrund ist, dass der EuGH in seinem Urteil vom 23.10.2014 (Rs. C-359/11) festgestellt hatte, dass die Regelung des § 4 Abs. 2 AVBGasV gegen die Transparenzanforderungen nach europäischem Recht verstoße und daher unwirksam sei.

Entscheidung

Der BGH vertritt die Auffassung, dass die Regelung in der AVBGasV unwirksam, und eine richtlinienkonforme Auslegung nicht möglich sei.

Durch die Unwirksamkeit der Preisänderungsregelung entstünde eine Regelungslücke im Gasliefervertrag. Diese könne durch ergänzende Vertragsauslegung dahingehend gefüllt werden, dass das Gasversorgungsunternehmen berechtigt ist, Kostensteigerungen seiner eigenen (Bezugs-)Kosten, soweit diese nicht durch Kostensenkungen in anderen Bereichen ausgeglichen werden, an den Tarifkunden weiterzugeben, und das Gasversorgungsunternehmen verpflichtet ist, bei einer Tarifanpassung Kostensenkungen ebenso zu berücksichtigen wie Kostenerhöhungen.

Von dem aus der ergänzenden Vertragsauslegung folgenden Preisänderungsrecht des Energieversorgungsunternehmens nicht umfasst, sind hingegen Preiserhöhungen, die über die bloße Weitergabe von (Bezugs-)Kostensteigerungen hinausgehen und der Erzielung eines (zusätzlichen) Gewinns dienen. Etwas anderes gilt allerdings unter bestimmten Voraussetzungen dann, wenn bei einem langjährigen Energielieferungsverhältnis der Kunde die Preiserhöhung nicht innerhalb eines Zeitraums von drei Jahren nach Zugang der jeweiligen Jahresabrechnung, in der die Preiserhöhung erstmals berücksichtigt worden ist, beanstandet hat.

Anmerkung

Interessant an der Entscheidung ist, dass durch die ergänzende Vertragsauslegung der bisher angenommene Inhalt der Preisänderungsregelung erhalten bleibt. Im Urteil vom 19.11.2008 – VIII ZR 138/07 – hatte derselbe Zivilsenat des BGH bereits unter der Annahme, dass § 4 Abs.2 AVBGasV in Grundversorgungsverträgen wirksam sei, die Regelung so ausgelegt, dass lediglich Kostensteigerungen weitergegeben werden dürften.

Zugleich bekräftigt der BGH, dass auch in diesem Fall noch durch ergänzende Auslegung eine Rückwirkungssperre dahingehend angenommen wird, dass Preisänderungen, die innerhalb von 3 Jahren nach deren erstmaliger Anwendung in einer Rechnung nicht beanstandet würden, nicht mehr angreifbar seien. Fraglich ist hier, welche Regelungslücke durch diese ergänzende Auslegung geschlossen werden soll, wenn doch die ursprünglich unwirksame Regelung bereits im Wege einer ergänzenden Auslegung bestehen bleibt.

Bleibt abzuwarten, ob die sehr weitgehende Anwendung der ergänzenden Vertragsauslegung in Zukunft auch auf die Sonderkundenverträge ausgedehnt wird.

Aus Sicht der Wohnungsbranche wäre zu überlegen, ob die Rechtsprechung zur ergänzenden Vertragsauslegung eventuell auch zur Heilung unwirksamer Mietvertragsklauseln (Beispiel Schönheitsreparaturklausel) fruchtbar gemacht werden kann.

Martin Alter

Rechtsanwalt

Aktuelle Informationen Nr. 44/2015

Rechtsanwälte Strunz ♦ Alter, Chemnitz