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BVerwG: Weisungsrecht des Stadtrates gegenüber seinen Vertretern im Aufsichtsrat eines kommunalen Unternehmens

Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) hat mit Urteil vom 31.08.2011 (Az.: 8 C 1610) entschieden, dass ein kommunalrechtliches Weisungsrecht des Stadtrates gegenüber den vom Stadtrat in den Aufsichtsrat eines kommunalen Unternehmens entsandten Ratsmitgliedern auch dann besteht, wenn ein entsprechendes Weisungsrecht nicht im Gesellschaftsvertrag des Unternehmens verankert ist.

Sachverhalt

In dem vom BVerwG zu entscheidenden Fall hatten die Aufsichtsratsmitglieder eines kommunalen Versorgungsunternehmens (GmbH) auf Feststellung geklagt, dass der Stadtrat nicht berechtigt sei, ihnen Weisungen oder das Stimmrecht im Aufsichtsrat berührende Aufträge zu erteilen. Im Gesellschaftsvertrag waren die für den Aufsichtsrat einschlägigen Vorschriften des AktG abbedungen, ohne dass eine Regelung zum Weisungsrecht getroffen worden ist. § 108 Abs. 5 Nr. 2 der Gemeindeordnung des Landes Nordrhein-Westfalen sieht vor, dass der Gemeinderat den von der Gemeinde bestellten oder auf Vorschlag der Gemeinde gewählten Aufsichtsratsmitgliedern Weisungen erteilen kann, soweit die Bestellung des Aufsichtsrates gesetzlich nicht vorgeschrieben ist. In § 113 Abs. 1 der Gemeindeordnung des Landes Nordrhein-Westfalen ist geregelt, dass die Vertreter der Gemeinde in Beiräten, Aufsichtsräten u.a. Gremien oder Organen der Gesellschaft die Interessen der Gemeinde zu verfolgen haben und an die Beschlüsse des Gemeinderates und seiner Ausschüsse gebunden sind, soweit durch Gesetz nichts anderes bestimmt sei.

Entscheidung

Die Klage der Aufsichtsräte blieb in allen Instanzen erfolglos. Da im Gesellschaftsvertrag die Regelungen des AktG zum Aufsichtsrat ausdrücklich abbedungen sind und keine Regelung zu Weisungsrechten vorgesehen sei, sei der Gesellschaftsvertrag entsprechend auszulegen. Hierzu könnten die Vorschriften des Kommunalrechts herangezogen werden. Da diese hier ausdrücklich ein Weisungsrecht des Gemeinderates gegenüber den Aufsichtsratsmitgliedern des Unternehmens vorsehen, sei der Ausschluss der aktienrechtlichen Regelungen dahingehend zu interpretieren, dass die kommunalrechtlichen Regelungen vollumfänglich anzuwenden seien. Der Stadtrat sei daher gegenüber den Klägern weisungsbefugt.

Praxistipp

Die Entscheidung ist auf kommunale Gesellschaften in Sachsen und Thüringen nicht übertragbar. Die oben genannten kommunalrechtlichen Regelungen finden in den Gemeindeordnungen bzw. in der Kommunalordnung kein Pendant. Die Gemeindeordnung in Sachsen sowie die Kommunalordnung in Thüringen sehen jeweils nur vor, dass die Gemeinde einen angemessenen Einfluss im Aufsichtsrat oder einem entsprechenden Gremium des Unternehmens erhält. Ein ausdrückliches Weisungsrecht des Gemeinderates gegenüber kommunalen Aufsichtsratsmitgliedern findet sich in diesen Kommunalgesetzen jedoch nicht. Demzufolge sieht beispielsweise für Sachsen der Leitfaden des Staatsministeriums des Innern vom 08.08.2003 vor (SächsABl. Nr. 35 2003, S.809 ff.), dass ein Weisungsrecht der Gemeinde gegenüber den von ihr entsandten Aufsichtsratsmitgliedern bei einem fakultativen Aufsichtsrat einer GmbH nur dann besteht, wenn dieses Weisungsrecht im Gesellschaftsvertrag geregelt ist. Ist ein Weisungsrecht nicht geregelt, gilt die seitens des BGH entwickelte Lehre vom Vorrang des Gesellschaftsrechts (vgl. BGH Z 36, 296, 306), d.h. die Aufsichtsratsmitglieder haben den „Belangen der Gesellschaft den Vorzug zu geben und die Interessen der Gesellschaft wahrzunehmen, ohne an Weisungen des Entsendeberechtigten gebunden zu sein“.

Jacqueline Köppen
Rechtsanwältin