BGH zur Wirksamkeit von Preisanpassungsklauseln in Fernwärmelieferverträgen
Der Bundesgerichtshof hat mit zwei Urteilen vom 06.04.2011 (VIII ZR 273/09 und VIII ZR 66/09) zur Wirksamkeit von Preisänderungsklauseln in Fernwärmelieferverträgen wichtige Weichen gestellt. Er hat Grundsätze seiner Rechtsprechung zur Preisanpassung in Gaslieferverträgen auch auf die Prüfung von Preisanpassungsklauseln in Wärmelieferungsverträgen übertragen und u.a. die ausschließliche Bindung des Arbeitspreises an die Preisentwicklung für leichtes Heizöl für unwirksam erklärt.
Sachverhalt
Im ersten Fall (VIII ZR 273/09) verlangte die Klägerin, ein kommunales Versorgungsunternehmen, von der beklagten Wohnungsbaugenossenschaft restliche Zahlung von Fernwärme für das Jahr 2006. Die Klägerin erhöhte im Jahre 2006 den Wärmearbeitspreis vier Mal, dem trat die Beklagte entgegen und nahm Zahlungen nur auf der Basis des Wärmearbeitspreises aus dem Jahre 2005 vor. Zur Änderung dieses Wärmearbeitspreises heißt es in dem zwischen den Parteien geschlossenen Fernwärmeliefervertrag:
„…Der Arbeitspreis für die zu verrechnenden Mengen ändert sich entsprechend nachstehender Formel:
WAP = WAP0 + 1,26 x (HEL – 31,24) €/MWh …“
Dabei steht WAP für den aktuellen und WAP0 für den ursprünglichen Wärmearbeitspreis. Bei dem mit „HEL“ bezeichneten Faktor handelt es sich um den vom Statistischen Bundesamt monatlich veröffentlichten Preis für leichtes Heizöl.
Das Landgericht Dessau-Roßlau hat der Klage stattgegeben, das Oberlandesgericht Naumburg hat sie auf die Berufung der Beklagten abgewiesen. Die dagegen gerichtete Revision des Versorgungsunternehmens hatte keinen Erfolg.
Im zweiten Fall (VIII ZR 66/09) verlangte die Klägerin, ebenfalls ein kommunales Versorgungsunternehmen, von den Beklagten Zahlung für Fernwärme, die sie in den Jahren 2001 bis 2003 für die von den Beklagten angemietete Wohnung geliefert hat. Die Beklagten zahlten zwar die von der Klägerin geforderten Abschläge, glichen jedoch die jeweiligen Endabrechnungen nicht aus, denen die Klägerin jeweils die Preise ihrer aktuellen Preisblätter zugrunde legte.
Die von der Klägerin im maßgeblichen Zeitraum verwendeten Preisbestimmungen lauten auszugsweise wie folgt:
„AP = AP0 x (0,5 x HEL/HEL0 + 0,2 x L/L0 + 0,3 x fEG)“
„HEL“ bezeichnet dabei ebenfalls den vom Statistischen Bundesamt veröffentlichten Preis für leichtes Heizöl, „L“ entspricht dem jeweiligen Index für den tariflichen Stundenlohn in der Fernwärmeversorgung. Der Faktor „fEG“ ist im Vertrag wie folgt definiert:
„fEG = jeweiliger Preisänderungsfaktor im Gasbezug der … [Klägerin] gegenüber dem Stand zum 01.01.97 – er wird anhand der Bestimmungen in dem Gasbezugsvertrag der … [Klägerin] ermittelt und vom Vorlieferanten (z.Z. BEB Erdgas und Erdöl GmbH) der … [Klägerin] mitgeteilt. fEG = 1,0000 Basiswert zum Stand 01.01.97)“
Entscheidung:
Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, dass Preisanpassungsklauseln den Anforderungen des § 24 Abs. 3 AVBFernwärmeV nur dann gerecht werden, wenn sie neben einem Marktelement auch ein Kostenelement enthalten. Nur hierdurch wird sichergestellt, dass neben der Kostenentwicklung auf dem Wärmemarkt auch die dem Versorgungsunternehmen entstehenden Kosten der Erzeugung und der Bereitstellung (etwa Transport, Verteilung) von Fernwärme bei einer Preisanpassung angemessen berücksichtigt werden. Darüber hinaus verlangt § 24 Abs. 3 AVBFernwärmeV, Preisanpassungsklauseln so transparent zu gestalten, dass der Kunde den Umfang der auf ihn zukommenden Preissteigerung aus der Formulierung hinreichend erkennen kann.
Den beschriebenen Anforderungen werden die Preisanpassungsklauseln in den heute entschiedenen Fällen nicht gerecht. Im ersten Fall sind bei der Preisanpassungsklausel die konkreten Kosten der Erzeugung der Fernwärme durch die Klägerin und damit das von § 24 Abs. 3 AVBFernwärmeV geforderte Kostenelement unberücksichtigt geblieben. Denn die verwendete Klausel für den Wärmearbeitspreis sieht als einzige Variable den Preis für extra leichtes Heizöl („HEL“) vor, die Klägerin setzt aber zur Wärmeerzeugung Erdgas ein und hat nicht dargelegt, ob und inwieweit die Entwicklung ihrer eigenen Erdgasbezugskosten ebenfalls an dem von ihr angesetzten oder wenigstens einem ähnlichen „HEL“-Faktor ausgerichtet ist.
Im zweiten Fall genügt der Faktor „fEG“ nicht den Transparenzanforderungen, weil dem Kunden nicht offen gelegt wird, wie sich dieser Faktor berechnet, und er daher nicht nachvollziehen kann, welche Kriterien auf den Gasbezugspreis der Klägerin Einfluss haben. Das Verfahren wurde an das Berufungsgericht zurückverwiesen, damit Feststellungen dazu getroffen werden können, ob das Nachforderungsverlangen der Klägerin – wie von dieser behauptet – auch bei Zugrundelegung der bei Vertragsschluss geltenden Preise, also ohne Berücksichtigung der erfolgten Preiserhöhungen, begründet ist.
Der Bundesgerichtshof hat zudem entschieden, dass sich Kunden gegen das Zahlungsbegehren des Energieversorgers mit dem Einwand verteidigen können, die den Preiserhöhungen zugrunde liegende Preisanpassungsklausel sei unwirksam. Zwar berechtigt § 30 AVBFernwärmeV* den Kunden zur Zahlungsverweigerung nur, wenn ein offensichtlicher Fehler vorliegt. Nicht von dem Einwendungsausschluss des § 30 AVBFernwärmeV erfasst sind aber nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs Einwendungen des Kunden, die sich nicht auf bloße Abrechnungs- oder Rechenfehler beschränken, sondern die Grundlagen der Vertragsbeziehung betreffen. Um eine derartige Einwendung handelt es sich, wenn der Kunde Einwände gegen die Wirksamkeit einer vom Versorgungsunternehmen vorformulierten Preisanpassungsklausel erhebt.
Praxistipp:
Bislang haben WärmElieferanten beim Streit um die Wirksamkeit von Preisanpassungsklauseln gern auf die Sonderregelung des § 24 III AVBFernwärmeV verwiesen und damit die Rechtsprechung des BGH zu Preisanpassungsklauseln in anderen Lieferbeziehungen für unanwendbar erklärt.
Dieses Argument ist nunmehr entkräftet. Die Grundsätze aus der Rechtsprechung zu Preisanpassungen für Gaslieferverträge sind auf die Wärmelieferung übertragbar.
Insbesondere die ausschließliche Bindung des Arbeitspreises an die Preisentwicklung für leichtes Heizöl ist weit verbreitet und insbesondere bei Verwendung anderer Brennstoffe in der Regel unwirksam.
Häufig werden für die Preisanpassung auch die Preisanpassungen in eigenen Brennstoffbezugsverträgen des Wärmelieferanten herangezogen. Hier ist dann in vielen Fällen die notwendige Transparenz nicht gegeben, da die Bezugsverträge dem Kunden nicht offengelegt werden und der Kunde daher die möglichen Preisänderungen nicht nachvollziehen kann.
Im Angesicht der derzeit wieder rasant steigenden Ölpreise, sollten die Preisanpassungsvereinbarungen in den bestehenden Wärmelieferungsverträgen geprüft werden. Unter Umständen ergeben sich bei unwirksamen Anpassungsklauseln Rückforderungsansprüche. In jedem Fall sind unwirksame Klauseln aber Verhandlungsargumente.
Martin Alter
Rechtsanwalt