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BGH zur Auswirkung fehlenden Vorwegabzugs für Gewerbe bei Betriebskostenabrechnung

Der Bundesgerichtshof hat sich in einem Urteil vom 11.08.2010, Aktenzeichen VIII ZR 45/10, mit den Wirkungen und Voraussetzungen des mieterseitigen Einwands eines fehlenden Vorwegabzugs von Kosten für Gewerbe bei einer Betriebskostenabrechnung für gemischt genutzte Immobilien auseinandergesetzt.

Sachverhalt:

Die Parteien eines Wohnungsmietvertrages streiten darüber, ob bei den Betriebskosten ein Vorwegabzug für die in den ersten drei Stockwerken des Anwesens untergebrachten gewerblichen Nutzer – unter anderem Lebensmittelgeschäft, Behörde, Gaststätte, Praxen von Ärzten und Steuerberatern – vorzunehmen ist. Die Vermieterin verlangt Bezahlung der sich aus den Betriebs- und Heizkostenabrechnungen für die Jahre 2005 bis 2007 ergebenden Nachzahlungen. Umstritten ist weiter, ob der fehlende Vorwegabzug einen formellen Fehler der Abrechnung darstellt und ob ein formeller Fehler durch eine schriftliche Erläuterung geheilt werden kann.

Entscheidung:

Der zuständige VIII. Zivilsenat vertritt die Auffassung dass es dem Mieter obliegt bei einer Abrechnung der Betriebskosten eines gemischt genutzten Objekts nach dem Flächenmaßstab zu begründen und zu beweisen, dass durch die gewerbliche Nutzung erhebliche Mehrkosten pro Quadratmeter entstehen. Dabei ist hinsichtlich der einzelnen Betriebskosten zu differenzieren und auf die konkreten Gegebenheiten des Gebäudekomplexes einerseits und die Art der gewerblichen Nutzung andererseits abzustellen. Die bloße Überschreitung von in einem Betriebskostenspiegel ausgewiesenen Durchschnittskosten ist zur Nachweisführung und Darlegung nicht ausreichend.

Bei der Abrechnung der Betriebskosten für ein teils gewerblich, teils zu Wohnzwecken genutztes Gebäude gehört die Vornahme eines Vorwegabzugs für die gewerbliche Nutzung selbst dann nicht zu den an eine Abrechnung zu stellenden Mindestanforderungen, wenn durch die gewerbliche Nutzung ein erheblicher Mehrverbrauch verursacht wird und deshalb in solcher Vorwegabzug geboten ist. Der fehlende aber gebotene Vorwegabzug stellt demnach keinen formellen Fehler der Abrechnung dar.

Bedarf eine Betriebskostenabrechnung einer Erläuterung, damit sie nachvollzogen werden kann und somit den an sie zu stellenden Mindestanforderungen genügt, sind auch Erläuterungen zu berücksichtigen, die der Vermieter dem Mieter außerhalb der Abrechnung – vor Ablauf der Abrechnungsfrist – erteilt hat, zum Beispiel im Mietvertrag, in einer vorausgegangenen Abrechnung oder auf Nachfrage des Mieters. Formelle Fehler sind demnach durch jede schriftliche Erläuterung vor Ablauf der Abrechnungsfrist heilbar.

Praxistipp:

Ein Vorwegabzug für Gewerbe ist nur bei erheblichen Kostensteigerungen durch das Gewerbe notwendig. Eine exakte Definition der Erheblichkeitsschwelle fehlt bislang.

Dem Mieter wird es in Zukunft nur bei vollständiger Durchsicht der Abrechnungsgrundlagen, einschließlich Festsetzungsbescheiden und Verträgen, möglich sein, das Vorliegen erheblicher Mehrkosten für Gewerbe darzulegen. Der Hinweis auf eine gewerbliche Nutzung allein wird im Betriebskostenprozess nicht mehr ausreichen.

Die Klarstellung dass eine fehlende Erläuterung oder ein anderer formeller Fehler durch eine Erläuterung außerhalb der Abrechnung aber vor Ablauf der Abrechnungsfrist geheilt werden kann, ist zu begrüßen. Eine vollständige Neuerstellung einer als falsch erkannten Abrechnung kann damit unterbleiben. Der Vermieter muss zudem Erläuterung aus den Vorjahren nicht immer wiederholen. Formfehler lassen sich demnach nur unter Berücksichtigung des gesamten Schriftverkehrs zwischen den Mietparteien – vom Mietvertrag angefangen – beurteilen.

Martin Alter
Rechtsanwalt