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BGH: Verschuldensunabhängige Haftung des Vermieters bei eigenmächtiger Wohnungsberäumung

Urteil vom 14.07.2010, Az. VIII ZR 45/09 – Pressemitteilung vom 14.07.2010

  1. Sachverhalt

Der Mieter hat den Vermieter auf Zahlung von 62.000 € Schadenersatz für angeblich abhanden gekommene bzw. beschädigte Gegenstände verklagt. Dem ging folgender – auch den hiesigen Vermietern gut bekannter – Ablauf voraus:

Der Mieter war ab Februar 2005 mehrere Monate ortsabwesend, der Aufenthalt war unbekannt. Er wurde von Verwandten als vermisst gemeldet. Nachdem die Mieten für März und April 2005 ausblieben, kündigte die Vermieterin den Wohnungsmietvertrag fristlos (vermutlich im Rahmen einer öffentlichen Zustellung – das Urteil liegt noch nicht mit Gründen vor).

Im Mai 2005 öffnete die Vermieterin die Wohnung und nahm sie in Besitz, wobei sie die Einrichtung teilweise entsorgte und teilweise einlagerte.

  1. Entscheidung

Der Mieter verlor erst- und zweitinstanzlich. Der Bundesgerichtshof befürwortete dagegen grundsätzlich den Entschädigungsanspruch des Mieters, verwies die Klage wegen der weiteren Klärung der Höhe des Anspruches an das Landgericht Wiesbaden zurück.

Obgleich der Mieter unbekannten Aufenthalts war und sein vertragliches Besitzrecht aufgrund der Kündigung geendet habe, sei das Handeln der Vermieterin eigenmächtig ohne gerichtlichen Titel und ohne Zuhilfenahme des Gerichtsvollziehers erfolgt. Sie habe daher unerlaubte Selbsthilfe begangen. Vielmehr hätte sie Räumungsklage im Wege der öffentlichen Zustellung erheben und aus diesem Titel vollstrecken müssen.

Für die sog. „kalte Wohnungsräumung“ hafte der Vermieter verschuldensunabhängig auf Schadenersatz, §§ 229, 231 BGB – insbesondere für die eigenmächtige Entsorgung.

Der Vermieterin habe aufgrund ihrer Eigenmächtigkeit eine Obhutspflicht für die Sachen des Mieters oblegen. Deshalb hätte sie ein Bestandsverzeichnis erstellen und den Wert der Gegenstände feststellen müssen.

Die Vorinstanzen hatten die Zahlungsklage des Mieters mit der Begründung abgewiesen, der Mieter habe den Wert der Gegenstände nicht nachweisen können. Nach Ansicht des Bundesgerichtshofes kehre sich aber die Beweislast um, wenn der Vermieter die vorbezeichneten Feststellungen nicht vornehme, so dass er sich gegenüber den bloßen Behauptungen des Mieters, welche Gegenstände in der Wohnung gewesen seien und welchen Wert diese hatten, entlasten müsse.

Es komme auch eine Schätzung des Schadenersatzanspruches durch das Gericht zugunsten des Mieters in Betracht.

  1. Weitergehende Hinweise

Die – nicht zu leugnende – strafrechtliche Komponente des Verhaltens der Vermieterin hat der Bundesgerichtshof in diesem Fall nicht näher beleuchtet.

Noreen Walther
Rechtsanwältin