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Beschlussfassung in einer verwalterlosen WEG nach Kopfprinzip

Das Urteil des BGH vom 20.11.2020 zu Az. V ZR64/20 erhellt Abstimmungs- und Einberufungsmodalitäten in kleinen, verwalterlosen Wohnungseigentümergemeinschaften.

 

Sachverhalt

Die WEG bestand aus 3 Einheiten, deren Eigentümer zwei Ehepaare waren:

WE 3

Beklagte 1 (B 1)

WE 2

Kläger 1 und Klägerin 2 (K 1, K 2)

WE 1

Beklagte 1 und Beklagte 2 (B 1 und B 2)

In der Gemeinschaftsordnung war vereinbart, dass sich die Abstimmung nach dem WEG richtet (Kopfprinzip).

Die Gemeinschaft war verwalterlos. Daraufhin beriefen B 1 und B 2 eine Versammlung ein, zu der nur sie erschienen, nicht aber die Kläger, und in der sie allein beschlossen, einen konkreten Verwalter zu bestellen.

K1 und K 2 fochten diesen Beschluss aus zwei Gründen an: Die Beklagten hätten gar nicht allein zu einer Versammlung einladen dürfen und sie hätten mangels Anwesenheit der Kläger nicht mehrheitlich beschließen können, weil ihnen gemeinsam nur eine Stimme zugestanden habe.

 

Entscheidung

Der BGH stellte fest:

Die Beklagten seien nicht befugt gewesen, eine Versammlung einzuberufen. Dies dürfe nur ein bestellter Verwalter (§ 24 Abs. 1 und 2 WEG), hilfsweise der Beirat (§ 24 Abs. 3 WEG) sowie seit dem 1.12.2020 auch ein durch Beschluss hierzu ermächtigter Wohnungseigentümer (§ 24 Abs. 3 WEG). Seien beide Funktionen nicht vergeben, könnten nur alle Eigentümer gemeinschaftlich zu einer Versammlung laden (dazu BGH Az. VZR222/10) oder ein Eigentümer lasse sich hierzu gerichtlich ermächtigen. Dies entsprach auch bisher herrschender Ansicht. Der BGH befand nun, ein solches Vorgehen sei zwar rechtswidrig und daraufhin gefasste Beschlüsse anfechtbar, aber nicht nichtig. Nichtigkeit sei nur anzunehmen, wenn die Regeln des Wohnungseigentumsgesetzes – z. B. immer wieder bewusst durch unbefugte Einladungen – systematisch missachtet werden. Bei einem einmaligen Verstoß wird das also noch nicht der Fall sein, so dass zu prüfen sei, ob sich der Fehler ausgewirkt habe. Das sei hier, so der BGH, nicht der Fall, weil die Abstimmung ohnehin nicht anders ausgefallen wäre.

Der Beklagten stünden nämlich zwei Stimmen zu, nicht nur eine. Gemäß § 25 Abs. 2 Satz 1 WEG hat jeder Wohnungseigentümer eine Stimme, auch wenn ihm mehrere Wohnungen gehören, vgl. BGH, Beschluss zu Az. V ZB 9/67.

Gehören mehrere Wohnungen nur teilweise identischen Miteigentümern oder ist ein Miteigentümer einer Wohnung zugleich Alleineigentümer einer anderen Wohnung, dann haben, so der BGH, die Eigentümer jeder Wohnung bei Geltung des Kopfstimmrechts je eine Stimme. Das bedeutet hier im Fall: Für die WE 1 üben B1 und B2 gemeinsam ein Kopfstimmrecht aus, für die Wohnung 3 nur die B1 allein.

Obwohl Frau B1 also Alleineigentümerin der Wohnung 3 im Dachgeschoss und zugleich Miteigentümerin der WE 1 im Erdgeschoss ist, kann für jede Wohnung eine Stimme abgegeben werden.

Es kommt allein auf eine formale Betrachtung an: Sind alle im Grundbuch für eine Sondereigentumseinheit eingetragenen Eigentümern identisch mit sämtlichen für eine andere Einheit eingetragenen? 

Keine Übereinstimmung liegt aufgrund der formalen Betrachtungsweise demnach auch vor, wenn eine natürliche Person – nennen wir sie Herr Müller, dem zwei Wohnungen gehören, eine GmbH gründet, deren Alleingesellschafter er ist, und eine der Wohnungen auf die GmbH überträgt. Formal sind Eigentümer der Herr Müller für die Wohnung 1 und die GmbH für die Wohnung 2. Dass Herr Müller in der Lage ist, die Entscheidung für die GmbH zu beeinflussen, ist irrelevant. Für jede Wohnung wird nach dem Kopfstimmenprinzip jeweils eine gesonderte Stimme abgegeben.

 

 

 

Noreen Walther

Rechtsanwältin

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