Berechnung des Streitwerts von Anfechtungsklagen im WEG
Der BGH verkündete im Beschluss vom 09.02.2017 zu Az. V ZR 188/16, wie der Streitwert für Anfechtungsklagen gegen Beschlüsse zur Genehmigung von Jahresabrechnungen in Wohnungseigentümerversammlungen zu berechnen ist.
1. Hintergrund
Zu unterscheiden ist der Gebührenstreitwert und der Rechtsmittelstreitwert.
1.1. Gebührenstreitwert
Kosten eines gerichtlichen Rechtsstreits umfassen Anwalts- und Gerichtskosten. Diese werden aufgrund von Streitwerttabellen bemessen. Je höher der Wert, um den die Parteien streiten, umso höher sind auch die Kosten des Rechtsstreits. Allerdings steigen die Kosten nicht linear sondern degressiv. Beispielsweise beträgt bei einem Streitwert von 5000 € eine Gerichtsgebühr 146 €, bei einem Streitwert von 10.000 € aber nicht das Doppelte sondern nur 241 €. Wie viele Gebühren anfallen ist abhängig vom Verlauf des Rechtsstreits.
Fechtet ein Wohnungseigentümer einen Eigentümerbeschluss aus einer Versammlung an (§§ 23, 43, 46 WEG), bestimmt sich der Streitwert seit der Gesetzesnovelle im Juli 2007 nach § 49a GKG. Demnach beträgt der Streitwert 50 Prozent des Interesses der Parteien und aller Beigeladenen. Es folgt aber sodann eine komplizierte Begrenzung. Der Streitwert darf nämlich das Interesse des Klägers und der auf seiner Seite Beigetretenen an der Entscheidung nicht unterschreiten und das Fünffache des Wertes ihres Interesses sowie den Verkehrswert des Wohnungseigentums des Klägers und der auf seiner Seite Beigetretenen nicht überschreiten. Bei einer Klage gegen einzelne Wohnungseigentümer darf der Streitwert das Fünffache des Wertes ihres klägerseitigen Interesses nicht übersteigen.
1.2. Rechtsmittelstreitwert
Gegen ein erstinstanzliches Urteil kann Berufung eingelegt werden, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600 € übersteigt oder das Gericht des ersten Rechtszuges die Berufung im Urteil zugelassen hat, § 511 ZPO. Gegen ein Berufungsurteil ist Revision zulässig, wenn das Berufungsgericht diese in dem Urteil oder das Revisionsgericht sie auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung zugelassen hat. Bis zum 30. Juni 2018 ist die Nichtzulassungsbeschwerde nur zulässig, wenn der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer 20.000 € übersteigt, § 26 Nr. 8 EGZPO.
2. Rechtsansichten und Entscheidung des BGH
2.1. Gebührenstreitwert
Verschiedene Instanzgerichte hatten trotz der Gesetzesänderung 2007 für Anfechtungsklagen gegen Genehmigungsbeschlüsse zu Jahresabrechnungen weiterhin eigene Formeln für die Gebührenstreitwertberechnungen verwendet, am Bekanntesten ist die sog. Hamburger Formel. Diese orientierte sich nur am Eigeninteresse des Klägers zuzüglich eines Bruchteils von 25 %. Andere Gerichte stellten auf einen bestimmten Prozentsatz vom Gesamtinteresse, meist 20 bis 25 %, ab. Der BGH selbst bemaß die Klage gegen eine Jahresabrechnung insgesamt mit 30 % des Abrechnungsnennbetrages, BGH Az. V ZB 83/07.
Der BGH erachtet nun allein den Gesetzeswortlaut des § 49a GKG für die Berechnung des Gebührenstreitwertes als maßgebend.
2.2. Rechtsmittelstreitwert
Der Rechtsmittelstreitwert folgt anderen Maßstäben und nicht § 49a GKG, vgl. BGH Az. V ZR 86/16.
Hat das Gericht einer Anfechtungsklage stattgegeben (und damit den Beschluss über die Jahresabrechnung aufgehoben) und möchten die beklagten übrigen Eigentümer hiergegen Rechtsmittel einlegen, beurteilt sich der Rechtsmittelstreitwert nach dem Nennbetrag der Jahresabrechnung ohne den klägerischen Abrechnungsanteil. Legt der Anfechtungskläger Rechtsmittel ein, entspricht seine Beschwer seinem Anteil am Gesamtabrechnungsergebnis.
3. Auswirkung
Die Unterschiede verdeutlichen folgendes Beispiel:
Fall: Beschlossen wird die Gesamtabrechnung über 50.000 €. Der Anteil des Klägers beträgt 6.000 €. Der Kläger wendet sich nicht (was zulässig wäre und zu einer Streitwertreduzierung führen würde) gegen eine einzelne Position sondern greift die Abrechnung insgesamt an.
Der Gebührenstreitwert berechnet sich nach § 49a GKG:
Vom Gesamtinteresse (50.000 €) sind zunächst 25.000 €, nämlich 50 % in Ansatz zu bringen. Dieses Zwischenergebnis ist ggf. zu korrigieren: Der Wert darf max. das Fünffache des klägerischen Interesses (hier also 30.000 €) und nicht mehr als den Verkehrswert des klägerischen Eigentums betragen.
Der Rechtsmittelstreitwert wäre wie folgt zu bemessen:
Bei einem Rechtsmittel des Klägers nach Klageabweisung beträgt er 6.000 € (Anteil des Klägers am Gesamtbetrag), so dass die Berufung, nicht aber die Nichtzulassungsbeschwerde zur Revision möglich wäre.
Die Zulässigkeit von Rechtsmitteln der übrigen beklagten Wohnungseigentümer ist für die Berufungs- und Revisionsinstanz gegeben, denn deren Beschwer beträgt 44.000 € (50.000 € abzgl. 6.000 €).
Noreen Walther
Rechtsanwältin
Aktuelle Information Nr. 37/2017
Rechtsanwälte Strunz ♦ Alter, Chemnitz