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Verkehrssicherungspflichten im Winter

Der Vermieter von Wohnraum ist nach der Rechtsprechung verpflichtet, seine Mieter sowie Passanten gegen den Abgang von Dachlawinen sowie gegen Schnee- und Eisglätte auf dem verkehrseröffneten Grundstück zu schützen.

1. Dachlawinen

Zur Thematik der Dachlawinen existiert eine sehr unterschiedliche Rechtsprechung. Die Problematik beschäftigt jedoch auch die hiesigen Gerichte in zunehmendem Maße. Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass jeder Pkw-Fahrer bzw. Passant sich selbst durch einen Blick nach oben vergewissern muss, ob er den Weg gefahrlos passieren kann bzw. Gefahren beim Abparken des Fahrzeuges bestehen. Ob der Vermieter verpflichtet ist, ein Schneefanggitter oder andere Sicherungsvorkehrungen an seinem Gebäude anzubringen, beurteilt sich nach der Rechtsprechung anhand folgender Kriterien:

  • allgemeine Schneelage des Ortes;
  • Beschaffenheit des Gebäudes;
  • Steilheit des Daches;
  • Art und Dichte des Verkehrs;
  • ortsübliche Sicherungsvorkehrungen;
  • und konkrete Witterungsverhältnisse,

vgl. OLG Stuttgart 09.11.1982, OLG Dresden, Aktenzeichen 8 U 696/96.

Daneben sind auch baurechtliche Vorschriften, wie beispielsweise § 32 Abs. 8 der Sächsischen Bauordnung oder Ortssatzungen zu beachten.

Das regelmäßige Abkehren von Schnee und Eis von den Dächern ist umlagefähig im Sinne von § 2 Nr. 17 BetrKV. Es bedarf insoweit lediglich der Vereinbarung mit dem Mieter. Im Übrigen geht die Rechtsprechung aber davon aus, dass ein privater Grundbesitzer grundsätzlich nicht zum Abkehren des Daches verpflichtet sei, weil dies eine unangemessene Selbstgefährdung darstellen würde.

Andere Sicherungsvorkehrungen sollten im konkreten Gefahrenzeitraum geprüft und ggf. genutzt werden, wie das vorübergehende Absperren (soweit straßenrechtlich zulässig) oder das Anbringen von Warnschildern.

Im Schadensfall ist auch ein Mitverschulden des Geschädigten zu prüfen, insbesondere dahingehend, inwieweit diesem von unten eine eventuelle Gefahrenlage erkennbar war.

2. Glatteisunfälle

Die Räum- und Streupflicht der Grundstückseigentümer betrifft zunächst den eigenen Grundstücksbereich – aber nach einzelnen Ortssatzungen auch anliegende Straßen und Gehwege, die sich auf öffentlich-zugänglichem Grund und Boden befinden. Die Ortssatzungen geben Anhaltspunkte auch für die Rechtsprechung hinsichtlich des räumlichen, gegenständlichen und zeitlichen Umfangs der Räum- und Streupflichten. Hierbei ist darauf zu achten, dass die Rechtsprechung und die Satzungen üblicherweise davon ausgehen, dass das gefahrlose Betreten der Geh- und Fahrwege mit Einsetzen des allgemeinen Hauptberufsverkehrs gewährleistet sein muss. Zu diesem Zeitpunkt darf daher nicht erst mit den Räumarbeiten begonnen werden.

Der Vermieter ist auch verpflichtet, die Entwicklung der Witterungslage tagsüber sowie in der Vorausschau hinsichtlich besonderer Gefahrenlagen zu beobachten und entsprechende Sicherungsvorkehrungen zu treffen, ggf. mehrfach am Tage tätig zu werden. Da Ortssatzungen hin und wieder auch geändert werden, sollte bei Vertragsgestaltungen mit Dienstleistern eine dynamische Gesetzesverweisung gewählt werden.

Zu beachten ist zudem, dass das Streugut nach Beendigung der Gefahrenlage unverzüglich wieder entfernt werden muss, da auch dieses Gefahren bergen kann.

Schilder, die auf die Nichtdurchführung von Winterdienst hinweisen, entlasten in der Regel nicht, wenn es sich um öffentlich zugängliche Wege handelt. Dies gilt insbesondere hinsichtlich der Haftung bei Unfällen von Kindern.

Zulässig ist jedoch nach der Rechtsprechung die nach der Verkehrsbedeutung gestufte Durchführung eines Winterdienstes, z.B. zuerst auf den Hauptverkehrswegen und im Kapazitätsfalle auch auf den Hinterhofwegen, sofern diese nicht zwingend genutzt werden müssen.  Hier kommt es jedoch sehr auf die jeweiligen örtlichen Verhältnisse und bereits begründete Vertrauenstatbestände an.

Von Übertragungen der Winterdienstpflichten auf Mieter ist möglichst Abstand zu nehmen, da die wirksame Übertragung rechtlich oftmals zweifelhaft ist und bei Schlechterfüllung erhebliche Haftungsrisiken bestehen. Berufstätige Mieter sind zudem in der Regel gar nicht in der Lage, bei Bedarf täglich mehrmals nachzustreuen.

Die Übertragung der Pflichten auf Dritte, seien es Mieter oder Dienstleister, befreit den Verkehrssicherungspflichtigen Grundstückseigentümer bzw. Vermieter nämlich nicht gänzlich. Er muss vielmehr die ordnungsgemäße Erfüllung durch den Dritten kontrollieren und dies ggf. auch dokumentieren können (sog. Überwachungspflicht).

Noreen Walther
Rechtsanwältin

im Kanzleiforum 12/2010

Rechtsanwälte Strunz ♦ Alter, Chemnitz