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Aufrechnung von Betriebskosten- und Auseinandersetzungsguthaben in der Insolvenz des Mieters

Wird über das Vermögen eines Mieters das Insolvenzverfahren eröffnet, stellt sich meist nicht vorrangig die Frage, welche Forderungen zur Insolvenztabelle angemeldet werden müssen. Schwierig ist eher die Beantwortung der Frage, welche Forderungen nicht angemeldet bzw. durch Aufrechnung mit Betriebskosten- oder Auseinandersetzungsguthaben zum Erlöschen gebracht werden können. Voraussetzung für die Aufrechnung ist, dass sich gleichartige, unverjährte und fällige Forderungen des Vermieters und der Insolvenzmasse aufrechenbar stehen, also eine Aufrechnungslage gegeben ist.

Um den Besonderheiten des Insolvenzverfahrens Rechnung zu tragen, sieht die Insolvenzordnung für die Aufrechnung einige Sonderregeln vor, §§ 94 ff. InsO. Grundsätzlich gilt, dass Insolvenzforderungen nicht mit Forderungen der Masse verrechnet werden dürfen, § 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO. Zulässig ist dagegen die Aufrechnung, wenn die Aufrechnungslage bereits vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens bestanden hat. Sind Forderungen bedingt oder betagt und tritt deswegen die Aufrechnungslage erst nach Verfahrenseröffnung ein, bleibt die Aufrechnung weiter möglich, § 95 InsO.

1. Aufrechnung von Betriebskostenguthaben

Eine solche Konstellation findet sich insbesondere bei Betriebskostenguthaben. Das Landgericht Chemnitz (Urteil vom 30.04.2003, Az. 6 S 222/03, ZMR 2003, 574) hatte in einer Entscheidung aus dem Jahr 2003 noch vertreten, dass eine Aufrechnung eines Betriebskostenguthabens aus einer nach Verfahrenseröffnung erstellten Betriebskostenabrechnung nicht mit den zur Tabelle angemeldeten Mietforderungen verrechnet werden dürfe. Nach der neuen Rechtsprechung des BGH dürfte dies nun nicht mehr uneingeschränkt gelten. Mit Urteil vom 11.11.2004 entschied der BGH (Az.: IX ZR 237/03), dass es nicht maßgeblich auf den Zeitpunkt der Abrechnung ankomme. Maßgeblich sei vielmehr, ob der Abrechnungszeitraum vor oder nach der Verfahrenseröffnung liege. So erklärte der BGH indem Fall, auf dem die Entscheidung basierte, die Aufrechnung des Betriebskostenguthabens für das Jahr 2000 mit Mietforderungen für September bis November 2001 für zulässig, obwohl die Abrechnung erst nach Verfahrenseröffnung am 01.02.2002 erstellt worden ist.

Wird das Insolvenzverfahren mitten im Abrechnungszeitraum eröffnet, wären vermieterseits nach der Rechtsprechung zwei Abrechnungen zu erstellen: eine Abrechnung über den anteiligen Zeitraum, der vor Verfahrenseröffnung liegt, und eine Abrechnung für den anteiligen Zeitraum, der nach Verfahrenseröffnung liegt. In der Regel wird dies nicht möglich sein, da eine Zwischenablesung am Tage der Insolvenzeröffnung nicht erfolgt. Eine Aufteilung unter Zuhilfenahme der Regelungen zu den Gradtagzahlen ist sehr aufwändig. Zur Verrechnung von Guthaben hat es sich in der Praxis bewährt, in Abstimmung mit dem Insolvenzverwalter das Guthaben zeitanteilig monatsweise aufzuteilen und dann zu verrechnen.

2. Verrechnung von Auseinandersetzungsguthaben

Ist die Mitgliedschaft des Insolvenzschuldners in der Genossenschaft gekündigt, stellt sich oft die Frage, ob die Genossenschaft das Aus­einandersetzungsguthaben mit offenen, zur Insolvenztabelle angemeldeten Mietforderungen des ehemaligen Mitgliedes verrechnen kann. Auch hier ist grundsätzlich das Aufrechnungsverbot des § 96 InsO zu beachten. Nur wenn die Mitgliedschaft durch den Schuldner bereits vor Verfahrenseröffnung gekündigt wurde und damit die Auszahlung des Auseinandersetzungsguthabens nur noch von dem Eintritt der Kündigungswirkung und der Fälligkeit des Anspruchs abhängt, kann eine Aufrechnung mit den Insolvenzforderungen erfolgen. Wird die Mitgliedschaft durch den Insolvenzverwalter gekündigt, wird das Auseinandersetzungsguthaben regelmäßig der Masse zufließen (BGH Urteil vom 29.06.2004, Az.: IX ZR 147/03). Kündigt der Insolvenzverwalter kommt allenfalls eine Verrechnung mit Forderungen direkt gegen die Insolvenzmasse in Betracht

Viele Satzungen enthalten einen Passus, dass das Auseinandersetzungsguthaben der Sicherung der Ansprüche der Genossenschaft dient. Daraus wird im Allgemeinen ein Pfandrecht am Auseinandersetzungsguthaben der Genossenschaft hergeleitet. Solange dies von Rechtshandlungen der Beteiligten abhängig ist, dürfte damit nach der Rechtsprechung des BGH aber kein insolvenzsicheres Pfandrecht begründet werden (BGH, Urteil vom 08.01.2009, Az.: IX ZR 271/07). Damit verbleibt es trotz satzungsmäßigem Pfand- bzw. Verrechnungsrecht bei den o.g. Grundsätzen.

Jacqueline Köppen
Rechtsanwältin

im Kanzleiforum 03/2011

Rechtsanwälte Strunz ♦ Alter, Chemnitz