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Urteil des BGH zur Erstattungspflicht von Abschleppkosten

Dem Urteil des BGH vom 11.03.2016, Az. V ZR 102/15, lag folgender Sachverhalt zugrunde:

Der Fahrer eines PKW hatte einen nicht auf ihn zugelassenen Pkw auf einem Kundenparkplatz abgestellt und die Höchstparkzeit von 90 Minuten überschritten. Der Eigentümer des Grundstückes und Betreiber eines Verbrauchermarktes hatte mit einem Abschleppunternehmer einen Rahmenvertrag abgeschlossen, unberechtigt parkende Fahrzeuge zu entfernen und die entsprechenden Erstattungsansprüche an das Abschleppunternehmen abgetreten. Letzterer verlangte in der Klage sodann Erstattung der Kosten von der Beklagten Fahrzeughalterin.

Lösung des BGH:

Der Bundesgerichtshof gab der Klage auf Zahlung der Abschlepp- und Vorbereitungskosten in Höhe von 130,00 EUR statt. Als Rechtsgrundlage zog der BGH das Institut der Geschäftsführung ohne Auftrag heran. Dies kommt dann in Betracht, wenn zwischen den Parteien keine vertragliche Beziehung besteht und der Anspruchsteller Erstattung von Aufwendungen für eine Handlung erlangt, die er im Interesse des Schuldners getätigt haben will. Die Halterin gab an, das Abschleppen habe nicht ihrem Interesse widersprochen. Dies sah der BGH jedoch anders:

Es handele sich zunächst bei dem Abschleppen um ein Geschäft der beklagten Halterin, da sie zur Entfernung des Fahrzeuges gemäß § 862 Abs. 1 BGB verpflichtet war. Das unbefugte Parken eines Fahrzeuges auf einem fremden Privatgrundstück stellt eine verbotene Eigenmacht dar gemäß § 858 Abs. 1 BGB, für die sowohl Fahrer als auch Halter verantwortlich sind. Unerheblich sei, dass die Grundstücksbesitzerin nicht nur im Interesse der Halterin, sondern auch im eigenen Interesse tätig geworden sei.

Der BGH nahm auch ein Interesse im Handeln der beklagten Halterin an. Ein solches liege nämlich dann vor, wenn die Handlung dem Geschäftsherrn objektiv vorteilhaft und nützlich sei. Die Tilgung einer einredefreien Schuld gelte grundsätzlich als vorteilhaft und damit interessegemäß. Das gelte auch, wenn ein Grundstückseigentümer eine Eigentumsbeeinträchtigung selbst beseitigt, weil der Störer insofern von seiner Unterlassungspflicht (rechtswidriges Parken) frei werde.

Gemäß § 683 BGB muss der Halter die zur Störungsbeseitigung erforderlichen Aufwendungen ersetzen. Dass dies naturgemäß seinem Interesse widerspricht, sei irrelevant, weil diese gesetzliche Bestimmung anderenfalls nie erfüllt wäre.

Im Fall des BGH waren keine kostengünstigeren und vorteilhafteren Möglichkeiten, den Beseitigungsanspruch der Grundstücksbesitzerin durchzusetzen, erkennbar, insbesondere seien weder Halterin noch Fahrzeugführer in der Nähe des Fahrzeuges gewesen und hätten auch nicht in kurzer Zeit ermittelt werden können.

Letztlich komme es nicht auf das tatsächliche Interesse der Fahrzeughalterin (keine Kosten zahlen zu müssen) sondern auf deren mutmaßlichen Willen an, wenn ihr tatsächliches Interesse vor Ort nicht habe festgestellt werden können. Der mutmaßliche Wille, das Fahrzeug entfernen zu lassen, sei eben deshalb anzunehmen, weil damit eine rechtswidrige Handlung beendet werden konnte.

Hinweis:

Die Frage, inwieweit ein Grundstücksbesitzer verpflichtet ist, vor dem Abschleppen zunächst den Fahrer oder Halter zu ermitteln, um diesem die Möglichkeit zu geben, seiner Beseitigungspflicht freiwillig und persönlich nachzukommen, ist in der Rechtsprechung umstritten. Das Amtsgericht München hat im Urteil vom 02.05.2016 zum Az. 122 C 31597/15 entschieden, dass ein hinter der Windschutzscheibe durch den Fahrzeugführer angebrachter Zettel mit dem Hinweis: „Bei Parkplatzproblemen bitte anrufen“ verbunden mit der Mobilfunknummer nicht ausreichend sei, um den Grundstückseigentümer zu verpflichten, des Nachts einen ihm unbekannten Fahrzeugführer anzurufen. Aus dem Zettel gehe nicht hervor, dass der Fahrzeugführer bereit und in der Lage sei, bei Anruf unverzüglich sein Fahrzeug zu entfernen. Im zugrunde liegenden Fall hatte ein Fahrzeugführer seinen Pkw an einem Samstag gegen 22:30 Uhr auf dem Parkplatz für Bahnbedienstete, der als privater Parkplatz gekennzeichnet war, abgestellt. Das Fahrzeug war abgeschleppt worden, als der Fahrzeugführer gegen 01:30 Uhr zurück kehrte. Durch das Parken auf einem nicht der Öffentlichkeit gewidmeten Grundstück habe der Fahrzeugführer Eigentum und Besitz verletzt und damit eine verbotene Eigenmacht begangen sowie teilweise Besitzentzug vorgenommen. Er schulde somit die Abschleppkosten. Nach Ansicht des Amtsgerichts München sei ein privater Grundstückseigentümer jedoch anders als eine staatliche Stelle nicht an den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gebunden, solange das Abschleppen dazu erforderlich ist, die Besitzstörung zu beseitigen.

Praxishinweis:

Weiterhin sind somit nach der Rechtsprechung die bislang bereits bei vielen Mandanten üblichen Rahmenverträge mit Abschleppunternehmen zulässig. Es ist darauf zu achten, dass die Kosten angemessen und ortsüblich sind, da sie anderenfalls in überschreitender Höhe nicht erstattungsfähig wären. Auch eine Abtretung des Kostenerstattungsanspruches des Grundstücksbesitzers an das Abschleppunternehmen erweist sich in der Praxis als vorteilhaft, da somit der Rechtsstreit unmittelbar zwischen Abschleppunternehmen und Besitzstörer geführt werden muss. Falls der Grundstückseigentümer selbst die Abschleppmaßnahme durchführt, sollte vorsorglich im Hinblick auf die Uneinheitlichkeit der Rechtsprechung dennoch zumindest bei Fällen, in denen die Halter- oder Fahrereigenschaft unproblematisch kurzfristig ermittelt und derjenige somit kurzfristig auch erreichbar ist, von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht werden, um unnötige Rechtsstreitigkeiten um Kosten zu vermeiden.

Noreen Walther

Rechtsanwältin

Aktuelle Information Nr. 40/2016

Rechtsanwälte Strunz ♦ Alter, Chemnitz