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Urlaubsanspruch bei Langzeiterkrankung

Auch während der Arbeitsunfähigkeit erwirbt der Arbeitnehmer Urlaubanspruch. Voraussetzung ist nach dem Bundesurlaubsgesetz lediglich das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses. Selbst wenn ein Arbeitnehmer wegen der Dauer seiner Arbeitsunfähigkeit weder Anspruch auf Lohnfortzahlung noch auf Krankengeldzahlung hat und deshalb übergangsweise Arbeitslosengeld erhält, erwirbt er weiter Urlaubsanspruch. Dabei kommt es nicht darauf an, ob man das Arbeitsverhältnis in dieser Zeit als ruhend betrachtet oder nicht, denn auch bei ruhendendem Arbeitsverhältnis besteht diese ja fort. Daran ändert auch der Bezug von Leistungen der Arbeitsagentur nichts.

Kann der Urlaub im laufenden Kalenderjahr krankheitsbedingt nicht genommen werden, ist eine Übertragung in das nächste Kalenderjahr möglich (§ 7 Abs. 3 BUrlG). Er muss dann bis Ende März des Folgejahres genommen werden. Danach verfällt der Anspruch. Dies wurde auch immer in den Fällen so gehandhabt, in denen der Urlaub im Übertragungszeitraum wegen weiter anhaltender Krankheit nicht genommen werde konnte. In Folge der Rechtsprechung der Europäischen Gerichtshofes hat das Bundesarbeitsgericht im Jahr 2009 entschieden, dass Urlaubsansprüche im Umfang des gesetzlichen Mindesturlaubs nicht erlöschen, wenn der Arbeitnehmer bis zum Ende des Urlaubsjahres und/oder des Übertragungszeitraumes erkrankt und deswegen arbeitsunfähig ist. Grundsätzlich bleibt somit auch bei jahrelanger Arbeitsunfähigkeit dem Arbeitnehmer sein Mindesturlaubsanspruch erhalten.

In der Folge musste die Rechtsprechung aber auch hinsichtlich der Nachfolgeprobleme etwa zur Inanspruchnahme, zum Verfall und zur Abgeltung der Urlaubsansprüche angepasst werden. Mit Urteil vom 29.11.2011 hat der EuGH zunächst entschieden, dass tarifvertragliche Regelungen, wonach Ansprüche auf Erholungsurlaub auch im Fall einer Langzeiterkrankung spätestens 15 Monate nach Ablauf des Urlaubsjahres verfallen, nicht gegen die Arbeitszeitrichtlinie der EU verstoßen. Das LAG Baden-Württemberg geht mit seinem Urteil vom 21.12.2011 noch einen Schritt weiter und begründet den Untergang von Urlaubsansprüchen spätestens 15 Monate nach Ende des Urlaubsjahres mit dem Gebot im BUrlG auf Verhinderung einer Ansammlung von Urlaubsansprüchen über mehrere Jahre.

Urlaubsabgeltung kommt generell nur infrage, wenn wegen Beendigung des Arbeitsverhältnisses der Urlaub ganz oder teilweise nicht mehr gewährt werden kann (§ 7 Abs. 4 BUrlG). Bisher vertrat die Arbeitsrechtsprechung bei der Abfindung die sogenannte „Surrogationstheorie“. Danach galten für den Anspruch auf Urlaubsabfindung nach Beendigung eines Arbeitsverhältnisses die gleichen Voraussetzungen wie für die Urlaubsinanspruchnahme. Ein Abgeltungsanspruch bestand so z. B. nicht, solange der Arbeitnehmer nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses weiter erkrankt war. Spätestens seit dem Urteil vom 19.06.2012 geht das BAG davon aus, dass der Abgeltungsanspruch seinem Charakter nach ein reiner Geldanspruch ist, dessen Erfüllbarkeit nicht von der Arbeitsfähigkeit des Arbeitnehmers abhängt. Dies bedeutet für die arbeitsrechtliche Praxis, dass Urlaubsabgeltungs-ansprüche auch tariflichen oder einzelvertraglichen Ausschlussklauseln unterfallen. Im Bereich der Wohnungs- und Immobilienwirtschaft bedeutet dies, dass bei Beendigung von Arbeitsverhältnissen, auf die der MTV Wohnungswirtschaft anzuwenden ist, gemäß § 17 Ziffer 2. des MTV die Abgeltungsansprüche binnen zwei Monaten nach der Beendigung schriftlich geltend zu machen sind.

Manfred Alter
Rechtsanwalt

im Kanzleiforum 12/2012

Rechtsanwälte Strunz ♦ Alter, Chemnitz