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Rechtsprechungsänderung des BGH bei der Insolvenzanfechtung

In den letzten Jahren haben wir zahlreiche Informationen und Beiträge zu dem für Gläubiger doch leidigen Thema der Insolvenzanfechtung verfasst. In Ergänzung der bisherigen Texte vom 15.11.2013 (AI Nr. 43/2013), 30.03.2015 (AI Nr. 11/2015), vom 11.11.2015 (AI Nr. 43/2015), vom 19.09.2016 (AI Nr. 38/2016) und vom 03.03.2017 (AI Nr. 09/2017) sowie unserem Beitrag im Kanzleiforum aus Dezember 2014 teilen wir ergänzend Weiteres mit.

Der BGH hat nunmehr wieder zugunsten der Gläubiger entschieden, dass nicht jede freiwillige Handlung des Schuldners im Zusammenhang mit der Zwangsvollstreckung genügt, um von einer anfechtungsrechtlich relevanten Rechtshandlung auszugehen (Urteil vom 01.06.2017, Az.: IX ZR 114/16).

Im Zentrum dieser Entscheidung stand wieder einmal die Vorsatzanfechtung gemäß § 133 InsO, die eigentlich nicht die Einzelzwangsvollstreckung erfassen soll, sondern Rechtshandlungen des Insolvenzschuldners zugunsten eines bestimmten Gläubigers rückgängig machen soll. Zur Übersicht und Erinnerung nachstehend die fünf Voraussetzungen des § 133 InsO:

  • Rechtshandlung des Schuldners,
  • objektive Gläubigerbenachteiligung,
  • subjektive Gläubigerbenachteiligungsabsicht des Schuldners,
  • Kenntnis des Gläubigers von der Benachteiligungsabsicht des Schuldners
  • mit einer gesetzlichen Vermutung und Einhaltung der Anfechtungsfrist von vier Jahren (vormals zehn Jahre) nach § 133 Abs. 2 InsO.

Die Insolvenzanfechtung gemäß § 133 Abs. 1 InsO (Vorsatzanfechtung) setzt eine Rechtshandlung des Insolvenzschuldners und dessen willensgeleitetes und verantwortungsgesteuertes Handeln voraus. Der Insolvenzschuldner muss entscheiden können, ob er eine Leistung erbringt oder verweigert, um die Forderung seines Gläubigers zu erfüllen. Dies fehlt grundsätzlich, wenn der Gläubiger eine Befriedigung im Wege der Zwangsvollstreckung erlangt (Vorrang der Einzelzwangsvollstreckung außerhalb des 3-Monatszeitraums, §§ 130, 131 InsO).

Nach der bisherigen Rechtsprechung des BGH konnte der Insolvenzschuldner, wenn er mit einer selbstbestimmten Rechtshandlung dazu beigetragen hat, die Zwangsvollstreckung zu ermöglichen, die Insolvenzanfechtung auslösen, um diese Vermögensverlagerung durch den Insolvenzverwalter wieder rückgängig zu machen. Hierbei wird auf den Fördercharakter der Rechtshandlung abgestellt, welche die Vereinfachung der Vermögensverlagerung für die Vollstreckung zur Folge hat. Handelt der Schuldner oder unterlässt er gleichwertig, um die Vollstreckungsmaßnahme zum Erfolg zu führen, ist dies eine anfechtbare Rechtshandlung, die die Gläubigerbenachteiligung fördert. Für einzelne Fälle der Zwangsvollstreckung hat der BGH dies jetzt nur noch eingeschränkt zugelassen.

Nach Auffassung des Senats kann nunmehr nicht mehr jeder auch nur entfernte Mitwirkungsbeitrag des Schuldners dazu ausreichend sein, die „erwirkte“ Vermögensverlagerung (durch Vollstreckungsmaßnahmen) als Rechtshandlung des Schuldners zu werten. Andernfalls käme sonst immer eine Anfechtung in Betracht, auch wenn dies außerhalb des geschützten Zeitraumes von drei Monaten vor Antragstellung geschieht. Dies stünde nämlich nicht im Einklang mit dem Zweck dieser Norm, außerhalb des Zeitraums von diesen drei Monaten die prinzipiell gleichen Befriedigungsmöglichkeiten von Zwangsvollstreckungen zu gewährleisten.

Kriterium kann nunmehr nur noch sein, dass der Beitrag des Schuldners, den Vollstreckungserfolg zu ermöglichen und die Vollstreckungstätigkeit des Gläubigers zu fördern, ein zumindest vergleichbares Gewicht erreichen muss. Daran fehlt es nach Auffassung des BGH bereits, wenn der Schuldner sich darauf beschränkt, die Zwangsvollstreckung seines Gläubigers lediglich hinzunehmen und sein Verhalten nicht zu ändern, als wenn er dies auch ohne Vollstreckungsmaßnahme so getan hätte. Z. B. ist die Pfändung des Kontos und die daraus erzielte Drittschuldnerzahlung zulässig, wenn der Schuldner es lediglich unterlässt, seinen Forderungseinzug bzw. seinen Einkommenszugang auf dieses Konto umzustellen.

Es obliegt Ihnen als Gläubigern jedoch, hierzu dezidiert vorzutragen, sprich Tatsachen und Anhaltspunkte aus der Sphäre des Insolvenzschuldners darzustellen und ggfs. glaubhaft zu machen, was durchaus kompliziert sei dürfte. Explizit ist wieder auf die berühmte Einzelfallbetrachtung abzustellen. Im Anfechtungsfall sollten sämtliche Tätigkeiten, Mitteilungen und Zahlungsflüsse des Schuldners gesichtet, geprüft und dokumentiert werden, um im Streitfall – vor Allem bei hohen Forderungen – ausreichend vorbereitet zu sein.

Zusammenfassend kann gesagt werden, dass in dem weiten Feld der Vorsatzanfechtung jede der oben genannten fünf Tatbestandsvoraussetzungen sorgfältig zu prüfen ist. Die hierbei wohl streitigsten Elemente dürften bei der Rechtshandlung des Schuldners und bei der Kenntnis vom Gläubigerbenachteiligungsvorsatz liegen.

Da wir in den vergangenen Monaten eine wiederum erneut steigende Anzahl von Anfragen zu diesem Thema verzeichnen konnten, dürfte die Insolvenzanfechtungsproblematik auch nach der neuerlichen Reform im Jahr 2017 nicht an Fahrt bzw. Bedeutung verloren haben. Aufgrund unserer bisherigen Beratungspraxis und Vertretungen können wir signalisieren, dass oftmals überhöhte Anfechtungsforderungen von Insolvenzverwaltern in außergerichtlichen Vergleichen enden können, die Ihnen als Gläubiger zum Einen die umfassende Darlegungs- und Beweislast in einem Rechtsstreit ersparen und auch zum Anderen ein gewisses Risiko wegen freiwilliger Nachzahlungen, Ratenzahlungsvereinbarungen sowie Zwangsvollstreckungsmaßnahmen kompensieren.

Gern stehen wir Ihnen hierbei weiterhin mit Rat und Tat zur Seite.

Sebastian Tempel

Rechtsanwalt

Kanzleiforum 12/2017
Rechtsanwälte Strunz ♦ Alter, Chemnitz