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Kinderlärm ist grundsätzlich durch Mieter zu dulden

Es ist keine Seltenheit, dass sich Mieter von Kinderlärm, ausgehend anderer Mietwohnungen, gestört fühlen. Die Frage ist, ob Kinderlärm den Hausfrieden stören kann, mithin eine mietvertragliche Pflichtverletzung darstellt und gegebenenfalls Minderungsansprüche begründet. Erst kürzlich bestätigt der Bundesgerichtshof, dass Kinderlärm unter einem besonderen Toleranzgebot steht und grundsätzlich zu dulden ist, wie nachfolgendes Urteil zeigt.

 

Sachverhalt

In einem Berliner Anwesen kam es zum Streit zwischen Mietern und Eigentümer. Eigentümer und zugleich Mieter des Hauses fühlten sich erheblich durch das darunterliegende Eltern-Kind-Zentrum „Elki“ gestört. Gemäß der Teilungserklärung aus dem Jahr 1987 hieß es, dass die im Streit stehenden Räumlichkeiten als „Laden mit Lager“ genutzt werden dürfen. Die Wohnungseigentümer klagten daher auf Unterlassung der Nutzung der Räumlichkeiten als Eltern-Kind-Zentrum.

Zunächst entschied das Landgericht und Oberlandesgericht München, dass die Nutzung unzulässig sei und gaben der Klage statt.

Die sich hiergegen gerichtete Revision hatte Erfolg. Das Urteil wurde aufgehoben und die Klage abgewiesen.

 

Rechtliche Würdigung

Der Bundesgerichtshof entschied neuerlich, dass § 22 Abs. 1 a S. 1 Bundesimmissionsschutzgesetz sich auch auf das Wohnungseigentumsrecht auswirke. Demnach ist Lärm von Kitas, Spielplätzen oder ähnlichen Einrichtungen im Regelfall „keine schädliche Umwelteinwirkung“. Der Grundsatz sei auch bei der Prüfung zu beachten, ob eine nach der Teilungserklärung ausgeschlossene Nutzung dennoch womöglich zulässig ist.

 

Praxishinweis

Grundsätzlich gilt mithin, dass Kinder lauter sein dürfen als sonstige Geräuschquellen. Für eine Beurteilung, ob die Schwelle des erträglichen überschritten wird, dürfen Immissionsgrenz- und Richtwerte nicht herangezogen werden. Kinderlärm steht mithin unter einen besonderen Toleranzgebot. Sämtliche von Kindern ausgehenden Geräusche sind Ausdruck der kindlichen Entwicklung und Entfaltung, daher grundsätzlich zumutbar.

Auch wenn die Toleranzschwelle für Kinderlärm sehr hoch angesetzt ist, ist diese nicht unendlich. Die Grenzen sind im Einzelfall (unter Berücksichtigung der Art, Dauer und Zeit der Störung; des Alters und des Gesundheitszustands des Kindes sowie durch objektiv gebotene erzieherische Einwirkungen) zu bestimmen.

(Urteil des BGH vom 13.12.2019 – 5V ZR 203/18)

 

Michelle Freitag
Rechtsanwältin

Aktuelle Information Nr. 03/2020

Rechtsanwälte Strunz ♦ Alter, Chemnitz