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Handlungsbefugnisse und –pflichten des WEG-Verwalters bei Anfechtungsklagen – Teil 1 –

Seit der Reform des WEG im Jahre 2007 nehmen Unsicherheiten bei den Verwaltern des Gemeinschaftseigentums in Wohneigentumsanlagen angesichts der unklaren und unter Juristen überaus umstrittenen Rechtslage zu. Wie ist zu handeln, wenn eine Anfechtungsklage in der Eingangspost liegt? Wer ist zu informieren? Darf ohne Beschlussfassung sogleich ein Rechtsanwalt beauftragt werden? Aus welchen Mitteln darf dessen Vorschuss bezahlt werden? Ist der angefochtene Beschluss inzwischen dennoch umzusetzen?

Der – vorläufige – Stand der Rechtsprechung und Diskussion in der Rechtsliteratur kann wie folgt dargestellt werden:

1. Gesetzliche Regelungen zur Vertretungsmacht des Verwalters bei Anfechtungsklagen

Beschlüsse können binnen eines Monats nach Beschlussfassung bei dem örtlich zuständigen Amtsgericht durch Erhebung einer Anfechtungsklage angefochten werden, um den Eintritt der Bestandskraft zu verhindern, §§ 23 Abs. 4, 46 Abs. 1 WEG.

Die Klage ist „gegen die übrigen Wohnungseigentümer“ zu richten, § 46 Abs.1 WEG.

Gemäß § 27 Abs. 1 WEG ist der Verwalter gegenüber den Wohnungseigentümern und der Gemeinschaft verpflichtet,

  • Beschlüsse der Wohnungseigentümer durchzuführen (Nr. 1) und
  • die Wohnungseigentümer unverzüglich darüber zu unterrichten, dass ein Rechtsstreit gemäß § 43 anhängig ist (Nr. 7).

Gemäß § 27 Abs. 2 WEG ist der Verwalter berechtigt, im Namen aller Wohnungseigentümer für und gegen sie

  • Zustellungen entgegenzunehmen, soweit sie an alle Wohnungseigentümer in dieser Eigenschaft gerichtet sind (Nr. 1)
  • Maßnahmen zu treffen, die zur Wahrung einer Frist oder zur Abwendung eines sonstigen Rechtsnachteils erforderlich sind, insbesondere einen gegen die Wohnungseigentümer gerichteten Rechtsstreit gemäß § 43 Nr. 4 zu führen (Nr. 2) und
  • mit einem Rechtsanwalt wegen eines Rechtsstreits gemäß § 43 Nr. 4 eine Streitwertvereinbarung zu treffen (Nr. 4).

Gemäß § 43 Nr. 4 WEG ist das Gericht zuständig für Streitigkeiten über die Gültigkeit von Beschlüssen der Wohnungseigentümer: die Beschlussanfechtungsklagen.

Ausweislich § 45 WEG ist die Klage an den Verwalter zuzustellen, wenn keine Interessenkollision vorliegt. Für den Fall, dass die Zustellungsvertretung durch den Verwalter wegen Interessenkonflikt nicht in Betracht kommt, haben die Eigentümer einen Ersatzzustellvertreter zu bestellen, „auch wenn ein Rechtsstreit noch nicht anhängig ist“.

 

2. Befugnisse des WEG-Verwalters nach demStand der Rechtsprechung und Literatur

2.1. Entgegennahme der Zustellung

Die gegen die übrigen Wohnungseigentümer gerichtete Klage darf durch das Gericht an den bestellten Verwalter zugestellt werden, der zur Entgegennahme legitimiert ist, sofern nicht ein Fall der Interessenkollision vorliegt. Letzteres wäre z. B. gegeben, wenn der Beschluss über die Verwalterbestellung angefochten wird, weil eine Pflichtverletzung des Verwalters zugrunde liegt, oder wenn der Entlastungsbeschluss angefochten wird, vgl. AG Konstanz ZWE 2009, 327; a. A. AG Heidelberg ZWE 2009, 266. Das LG Dresden (ZMR 2010, 629) führte aus, der Ausschluss des Verwalters als Zustellungsvertreter setze „die Gefahr einer im Einzelfall konkret festzustellenden Interessenkollision voraus. Würde man bei jeder nur denkbaren Interessenkollision die Empfangs- und Zustellungsvertretung des Verwalters ausschließen, beträfe dies eine Vielzahl von Beschlussanfechtungsverfahren, in welchen – fristwahrend – zunächst sämtliche Beschlüsse einer Eigentümerversammlung, darunter auch die Bestellung des Verwalters, angefochten werden.“

Eine Interessenkollision kann auch (wenngleich dazu noch keine Rechtsprechung veröffentlicht ist) vorliegen, wenn der Kläger bereits in der Klage beantragt, dem Verwalter die Prozesskosten gemäß § 49 S. 2 WEG wegen grober Pflichtverletzung aufzuerlegen. Nach diesseitiger Erfahrung beachten dies die Gerichte jedoch regelmäßig nicht und stellen dennoch an den Verwalter zu.

Da gemäß § 45 WEG ein Ersatzzustellvertreter unabhängig von einem konkreten Fall zu bestellen ist, hat der Verwalter für eine entsprechende Beschlussfassung auch Sorge zu tragen, indem er diesen Beschlusspunkt auf die Tagesordnung setzt. Es gibt etliche Gemeinschaften, in denen das immer noch nicht der Fall ist. Darin liegt eine erhebliche Verwalterpflichtverletzung, die ggf. auch Schadenersatzansprüche auslösen kann.

2.2. Information der beklagten Wohnungseigentümer

Ist dem Verwalter die Klage zugestellt, hat er die betroffenen Wohnungseigentümer zu informieren. Streitig ist, ob das auch gilt, wenn er als Zustellvertreter wegen Interessenkollision ausgeschlossen ist. Teilweise wird hier angenommen, der Verwalter müsse die Klage an das Gericht zurücksenden, weil die Zustellung unwirksam sei und nicht gegen die Eigentümer wirken könne, vgl. Sauren WEG, § 27 Rz. 53. Nach a. A. ist die Zustellung zwar unwirksam, die Unterrichtungspflicht bestehe aber dennoch, Bärmann/Wenzel, WEG § 45 Rz. 21.

Die Eigentümer sind natürlich auch zu informieren, wenn sich die Klage – fälschlicherweise – gegen den teilrechtsfähigen Verband richtet, denn die Rechtsprechung hilft dem Kläger hier neuerdings zu einer wirksamen Klage, indem diese als gegen die Wohnungseigentümer erhoben gedeutet wird, vgl. BGH Urteil vom 17.09.2010, Az. V ZR 5/10. Die Information muss unverzüglich, d. h. ohne schuldhaftes Zögern erfolgen. Eine Prüfungs- und Überlegungsfrist ist dem Verwalter allenfalls hinsichtlich der aktuellen Adressdaten durch Einsicht in seine Unterlagen zu gewähren, nicht aber für eine inhaltliche Prüfung, denn diese obliegt – zumindest auch – den Wohnungseigentümern.

In welcher Form die Unterrichtung erfolgen muss, ist gesetzlich nicht geregelt. In der Regel wird dies durch Übersendung der Klageschrift, der Verfügung des Gerichts sowie – zur Fristberechnung – durch Mitteilung des Datums der Zustellung erfolgen. Die rechtlichen Belehrungen über Konsequenzen einer Fristversäumung sind in der Regel bereits den gerichtlichen Verfügungen zu entnehmen, so dass sich der Verwalter Erläuterungen ersparen kann. Bei kleinen Gemeinschaften, in denen sämtliche Eigentümer in der Nähe des Verwaltungssitzes wohnen, kann sich auch eine telefonische Unterrichtung mit dem Hinweis auf eine mögliche Einsichtnahme beim Verwalter anbieten.

Sinnvoll ist es, bereits im Vorfeld eines aktuellen Falles die Form der Unterrichtung mit den Wohnungseigentümern zu vereinbaren, die z. B. auch per Fax oder Mail erfolgen könnte.

Der Verwalter hat, wenn er die Wohnungseigentümer auch im Verfahren vertreten sollte, zudem fortlaufend über den Stand des Verfahrens zu informieren. Welche Anforderungen an die Art und Weise der laufenden Information zu stellen sind, ist einzelfallabhängig (Größe der Gemeinschaft, Bedeutung und Schwierigkeit des Rechtsstreits, Erheblichkeit des weiterzuleitenden Schriftstückes etc.).

2.3. Durchführung des angefochtenen Beschlusses

Beschlüsse sind durch den Verwalter des Gemeinschaftseigentums unverzüglich, d. h. ohne schuldhaftes Zögern, umzusetzen.

Ausblick:

Im nächsten Kanzleiforum werden die Vertretung der beklagten Wohnungseigentümer durch den Verwalter und das Recht des Verwalters zur Beauftragung eines Rechtsanwaltes für die beklagten Wohnungseigentümer thematisiert. In Teil 3 der Fortsetzungsreihe folgen Ausführungen zur Streitwertberechnung, der Bereitstellung, Abrechnung und Umlage der Prozesskosten sowie zum Abschluss von Zusatzhonorarvereinbarungen mit Anwälten.

Noreen Walther
Rechtsanwältin

im Kanzleiforum 03/2011

Rechtsanwälte Strunz ♦ Alter, Chemnitz