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Fristlose Kündigung wegen Zahlungsverzug bei unverschuldeter Geldnot des Mieters

Am 04.02.2015 verkündete der BGH unter Az. VIII ZR 175/14 ein Urteil zur Frage, ob der Vermieter von Wohnraum gemäß § 543 Abs. 2 Nr. 3 BGB zur fristlosen Mietvertragskündigung wegen Zahlungsverzuges berechtigt ist, obwohl der Mieter seine Geldnot nicht selbst verschuldet hat.


Sachverhalt

Der Mietvertrag über die 140 m² große Wohnung  bestand seit 2010. Der Mieter hat seit 2011 Leistungen nach SGB II vom Jobcenter bezogen, leitete jedoch ab Januar 2013 die Zahlungen des Jobcenters nicht mehr an den Vermieter weiter. Nachdem der Vermieter den Mietvertrag fristlos gekündigt und Räumungsklage erhoben hatte, erklärte das Jobcenter die Übernahme der Mietschulden. Der Mietvertrag wurde daraufhin fortgesetzt, § 569 Abs. 3 Nr. 2 BGB.

Im Juli 2013 beantragte der Mieter bei einem nunmehr für ihn zuständigen Sozialamt Sozialhilfe einschließlich Wohnungskosten, das Sozialamt lehnte die Übernahme der Wohnungskosten jedoch ab. Daraufhin erklärte der Vermieter im März 2014 erneut die fristlose Kündigung des Mietvertrages. Der Mieter ging zwischenzeitlich gerichtlich gegen die Ablehnung des Sozialamtes vor. Das Gericht verpflichtete im April 2014 den Sozialhilfeträge in einem einstweiligen Rechtsschutzverfahren zur Nachzahlung der Mieten von September 2013 bis Juni 2014.

Amts- und Landgericht hatten bereits der Räumungsklage des Vermieters stattgegeben.


Entscheidung

Dem schloss sich auch der BGH an. Der Mieter hat sich im März 2014 tatsächlich mit mehr als zwei Monatsmieten in Verzug befunden, so dass die Kündigung berechtigt gewesen ist. Zwar setzt Verzug eine schuldhafte Nichtleistung voraus. Das Gericht bekräftigte jedoch den alten Grundsatz: „Geld hat man zu haben“, was bedeutet, für Zahlungsschulden haftet man unbeschränkt und ohne Rücksicht auf ein Verschulden.

Der Mieter kann sich lediglich einmal in zwei Jahren gemäß § 569 Abs. 3 Nr. 2 BGB von einer fristlosen, nicht aber von einer ordentlichen Kündigung, durch rechtzeitige Nachzahlung oder Verpflichtung einer öffentlichen Stelle befreien.

Die Entscheidung des BGH würde – da im Einklang mit der herrschenden Meinung seit vielen Jahrzehnten stehend – an sich nicht überraschen, hätte der BGH nicht im Urteil vom 21.10.2009, Az. VIII ZR 64/09, eine Kündigung wegen beständig unpünktlicher Mietzahlungen durch das Jobcenter i. S. d. § 543 Abs. 1 BGB abgelehnt, weil diese den Mietern nicht zugerechnet werden könnten, da es sich bei dem Sozialleistungsträger nicht um den Erfüllungsgehilfen der Mieter handelt, für dessen Verschulden die Mieter nach § 278 BGB einzustehen hätten. Wie sich der BGH zu dieser Abkehr positioniert, ist der bislang allein vorliegenden Pressemitteilung noch nicht zu entnehmen.


Praxistipp

Unpünktliche Zahlungen des Sozialhilfeträgers sind dem Mieter also nicht zuzurechnen. Nichtzahlungen durch den Sozialhilfeträger hat der Mieter dagegen – richtigerweise – selbst zu vertreten.

Sofern die Mietzahlungen jedoch bislang direkt durch den Sozialhilfeträger an den Vermieter geleistet worden sind und plötzlich ausbleiben, empfiehlt es sich, den Mieter ausnahmsweise vor der Kündigung abzumahnen, um ihm zunächst Gelegenheit zur Klärung zu geben, falls er von der Zahlungseinstellung noch keine Kenntnis hat.

Soll sich der Mieter nicht durch Nachzahlung bzw. Kostenübernahmeerklärung befreien können, sollte hilfsweise gleichzeitig ordentlich gekündigt werden, wobei der Mieter dann jedoch über sein Widerspruchsrecht gemäß § 574 BGB zu belehren ist.

 

Noreen Walther
Rechtsanwältin

Aktuelle Informationen Nr. 6/2015

© Rechtsanwälte Strunz ♦ Alter, Chemnitz