>

Duldung der Sanierung im vermieteten Sondereigentum

In einer Wohnungseigentümergemeinschaft wurde die Sanierung von Terrassen und Balkonen beschlossen sowie der Verwalter ermächtigt, erforderliche gerichtliche Schritte gegen „Eigentümer“ einzuleiten, die die Durchführung der Maßnahmen verhindern bzw. den Zugang verweigern. Ein Eigentümer hatte an seinem Eigentum einen Nießbrauch bestellt. Die Nießbraucher bewohnten seine Eigentumswohnung und hatten somit unmittelbaren Besitz daran. Sie verweigerten den Zugang und die Durchführung der Sanierung und sprachen gegen die beauftragten Handwerksfirmen ein Hausverbot aus. Unter einem Nießbrauch versteht man in diesem Fall das lebenslange Recht, eine Wohnung zu bewohnen und sämtliche Nutzungen ziehen zu können. Das Recht wird im Grundbuch eingetragen.

Die Eigentümergemeinschaft verklagte die Nießbraucher auf der Grundlage von § 14 Nr. 4 WEG auf Duldung der Sanierungsmaßnahmen und Zutritt.

§ 14 Nr. 4 WEG lautet: „Jeder Wohnungseigentümer ist verpflichtet, das Betreten und die Benutzung der im Sondereigentum stehenden Gebäudeteile zu gestatten, soweit dies zur Instandhaltung und Instandsetzung des gemeinschaftlichen Eigentums erforderlich ist; der hierdurch entstehende Schaden ist zu ersetzen.“

Der BGH stellte zunächst fest, dass Klagen gegen Fremdnutzer von Wohnungseigentum nicht unter die Fälle der Gerichtsverfahren im Sinne von § 43 Nr. 1 und 2 WEG fallen, da die Dritten nicht in einer Rechtsbeziehung zur Wohnungseigentümergemeinschaft bzw. den Wohnungseigentümern stehen. Dementsprechend hatte der BGH auch bereits im Beschluss vom 14.07.2011, Az V ZB 67/11, eine Klage gegen einen Mieter einer Eigentumswohnung wegen Unterlassung der Nutzung von Gemeinschaftsflächen als allgemeine zivilprozessuale Streitigkeit eingeordnet und nicht als wohnungseigentumsrechtliche. Dies hat insbesondere Auswirkungen auf die Zuständigkeit des Gerichts.

Nach Ansicht des BGH ist ein Nießbraucher einem Eigentümer nicht vergleichbar, insbesondere steht ihm kein Stimmrecht in der Versammlung zu, auch darf er Beschlüsse nicht anfechten. Materiell-rechtlich führt der BGH nun im Urteil vom 10.07.2015, Az V ZR 194/14, aus, dass die Regelungen zum § 14 Nr. 3 und 4 WEG kein Vorgehen gegen Fremdnutzer ermöglichen, sondern nach dem eindeutigen Wortlaut des Gesetzes lediglich Ansprüche gegen Wohnungseigentümer begründen.

Der BGH hat offen gelassen, ob Duldungs- und Unterlassungsansprüche nach allgemeinem Zivilrecht, bspw. auf der Grundlage von § 1004 BGB gegen Fremdnutzer in Betracht kommen. Er weist jedoch darauf hin, dass Ansprüche aus § 1004 BGB Individualansprüche der Wohnungseigentümer sind, die jedenfalls ohne entsprechende Beschlussfassung zur gemeinschaftlichen Geltendmachung nicht durch die Gemeinschaft selbst gerichtlich einklagbar seien, vgl. § 10 Abs. 6 S. 3 HS 2 WEG sogenannte gekorene Ausübungsbefugnis mit Verweis auf BGH-Urteil vom 05.12.2014, Az. V ZR 5/14. Der oben zitierte Beschluss umfasst nicht die Vergemeinschaftung dieser Ansprüche gegen bloße Besitzer eines Wohneigentums.

Fazit:

Die Gemeinschaft kann Duldungsansprüche gegen den Eigentümer gem. § 14 Nr. 4 WEG geltend machen. Sofern die Gemeinschaft auch Duldungsansprüche gegen einen Mieter oder Nießbraucher gerichtlich einzuklagen gedenkt, bedarf es zuvor einer ausdrücklichen Beschlussfassung, dass die diesbezüglichen Individualansprüche der Wohnungseigentümer gemeinschaftlich geltend gemacht werden sollen, und zwar durch die Wohnungseigentümergemeinschaft.

Noreen Walther

Rechtsanwältin

im Kanzleiforum 09/2015

Rechtsanwälte Strunz ♦ Alter, Chemnitz