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BGH zur Wirksamkeit einer ordentlichen Mietvertragskündigung wegen Zahlungsverzugs

Der Fall

Der Mieter hatte im Zeitraum März 2008 bis April 2009 Heizkostenvorauszahlungen in Höhe von monatlich jeweils 70 €, insgesamt somit 980 €, nicht geleistet. Angesichts einer geschuldeten Bruttomonatsmiete von 322,81 € befand er sich somit mit einem Betrag von mehr als zwei Monatsmieten in Zahlungsverzug. Der Vermieter klagte zunächst auf Zahlung und obsiegte insoweit am 12.11.2009. Der Mieter leistete die Nachzahlung dennoch erst am 30.07.2010. Wegen des Verzuges hatte der Vermieter bereits mit Schreiben vom 05.10.2009 fristgemäß zum 31.07.2010 gekündigt (Kündigung 1).

Als der Mieter auch die laufende „Miete“ für den Monat November 2009 neun Tage nach dem Zahlungstermin nicht geleistet hatte, kündigte der Vermieter aus diesem Grund erneut ordentlich den Mietvertrag mit Schreiben vom 12.11.2010 (Kündigung 2).

 

Die Lösung

Der BGH gab im Urteil vom 10.10.2012 zu Az. VIII ZR 1074/12 dem Räumungsbegehren des Vermieters statt – aber nur wegen der 1. Kündigung vom 05.10.2009.

 

1. Kündigung vom 05.10.2009

Da es sich bei dieser ersten Kündigung um eine ordentliche fristgerechte Kündigung handelte, musste der Vermieter nicht zunächst gemäß § 569 Absatz 3 Nr. 3 BGB den Zahlungsanspruch wegen seines Anspruches auf erhöhte Betriebskostenvorauszahlungen titulieren lassen.

Durch nachträgliche Zahlung (binnen 2 Monaten ab Rechtshängigkeit der Räumungsklage) kann sich der Mieter gemäß § 569 Absatz 3 Nr. 2 BGB von einer fristlosen Kündigung „befreien“. Diese Regelung ist aber auf die ordentliche Kündigung nicht anwendbar. Dennoch könne die nachträgliche Zahlung die Pflichtverletzung des Mieters „in einem milderen Licht erscheinen lassen“ (BGH a.a.O. Rz. 33). Im vorliegenden Fall erfolgte der Zahlungsausgleich aber erst 9 Monate nach der Kündigung, der Räumungsanspruch wird daher vermieterseits trotz Zahlungsausgleichs nicht rechtsmissbräuchlich geltend gemacht.

 

2. Kündigung vom 12.11.2010

Die zweite ordentliche  Kündigung ist unwirksam. Eine fristlose Wohnraummietvertragskündigung wegen Zahlungsverzuges ist entweder

  • gemäß § 543 Absatz 2 Nr. 3 a) i.V.m. § 569 BGB zulässig, wenn der Mieter  für zwei aufeinander folgende Termine mit der Entrichtung der Miete oder eines nicht unerheblichen Teils, d.h. mindestens mit einer Monatsmiete plus einem Cent, der Miete in Verzug ist oder
  • gemäß § 543 Absatz 2 Nr. 3 b) BGB in einem Zeitraum, der sich über mehr als zwei Termine erstreckt, mit der Entrichtung der Miete in Höhe eines Betrages in Verzug ist, der die Miete für zwei Monate erreicht.

Der Vermieter hatte die Kündigung mit dem Verzug für den laufenden Monat (mithin genau eine Miete) um einen Zeitraum von 9 Tagen begründet. Eine fristlose Kündigung war nicht möglich, weil diese nach vorstehend zitierten Regelungen einen Verzug von mehr als einer Monatsmiete in zwei aufeinanderfolgenden Monaten voraussetzt.

Es handelte sich jedoch um eine ordentliche Kündigung, d.h. unter Einhaltung der gesetzlichen Kündigungsfrist. Hier war nun bislang umstritten, ob der Vermieter ebenfalls die Anforderungen des Gesetzes an die Höhe und Dauer des Zahlungsverzuges wie im Rahmen der fristlosen Kündigung beachten muss.

 

Der BGH hat sich der Auffassung angeschlossen, die eine ordentliche Kündigung auch unterhalb der Schwelle für die fristlose Kündigung zulassen. Voraussetzung sei aber dennoch, dass es sich um

  • einen Verzug in Höhe von mehr als einer Monatsmiete
  • und mindestens einen Monat handelt.

Im Unterschied zur fristlosen Verzugskündigung gemäß § 543 Abs. 2 Nr. 3 a), § 569 Abs. 3 Nr. 1 BGB muss der Rückstand also nicht in zwei aufeinander folgenden Monaten verursacht worden sein. Ein Verzug von 9 Tagen war mithin nicht ausreichend.

 

Praxistipp

Wegen Zahlungsverzuges ist ein Wohnraummietvertrag daher bspw. wie folgt kündbar:

Mietrückstand in den

Monaten

in Höhe von Kündigung zulässig gemäß Kündigung entfällt, wenn
Januar und März 2012 zwei vollen Monatsmieten § 543 Abs. 2 Nr. 3 b) BGB fristlos, da 2 Mieten Rückstand Mieter binnen 2 Monaten ab Rechtshängigkeit alle Forderungen begleicht, § 569 Abs. 3 Nr. 2 (max. 1 Mal alle 2 Jahre)
§ 573 BGB als ordentliche, fristgemäße Kündigung wegen schuldhafter Pflichtverletzung Verschulden des Mieters im Einzelfall gering ist, Zahlungsausgleich alsbald erfolgt – Einwand des Rechtsmißbrauchs – Ausnahmefall, da
§ 569 Abs. 3 Nr. 2 BGB nicht unmittelbar anwendbar ist
Januar und März 2012 eineinhalb Monatsmieten § 573 BGB als ordentliche, fristgemäße Kündigung wegen schuldhafter Pflichtverletzung Verschulden des Mieters im Einzelfall gering ist, Zahlungsausgleich alsbald erfolgt – Einwand des Rechtsmißbrauchs – Ausnahmefall, da
§ 569 Abs. 3 Nr. 2 BGB nicht unmittelbar anwendbar ist
Januar und Februar 2012 eineinhalb Monatsmieten § 543 Abs. 2 Nr. 3 a), § 569 Abs. 3 Nr. 1 BGB, da Rückstand von mehr als einer Miete in zwei aufeinander folgenden Monaten Mieter binnen 2 Monaten ab Rechtshängigkeit alle Forderungen begleicht, § 569 Abs. 3 Nr. 2 (max. 1 Mal alle 2 Jahre)
§ 573 BGB als ordentliche, fristgemäße Kündigung wegen schuldhafter Pflichtverletzung Verschulden des Mieters im Einzelfall gering ist, Zahlungsausgleich alsbald erfolgt – Einwand des Rechtsmißbrauchs – Ausnahmefall, da
§ 569 Abs. 3 Nr. 2 BGB nicht unmittelbar anwendbar ist
wiederholte unpünktliche Mietzahlung   § 543 Abs. 1 und 3 BGB fristlose Kündigung nach einschlägiger Abmahnung allg. Einwand des Rechtsmißbrauchs
§ 573 Abs. 1 BGB ordentliche Kündigung nach einschlägiger Abmahnung

 

Wir weisen nochmals auf die im Servicebereich der website www.strunz-alter.de eingestellten Muster für Abmahnungen wegen unvollständiger bzw. unpünktlicher Mietzahlung sowie für Mietvertragskündigungen hin.

 

Noreen Walther
Rechtsanwältin