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BGH: Kein regelmäßiges anlassloses Besichtigungsrecht des Vermieters

Der für das Wohnraummietrecht zuständige 8. Zivilsenat des BGH hat am 04.06.2014 unter Az. VIII ZR 289/13 zu Mietvertragsklauseln betreffend das Besichtigungsrecht des Vermieters Stellung genommen.


Der Hintergrund

Eine gesetzliche Regelung zum Besichtigungsrecht findet sich im Mietrecht nicht. Zum Teil wird neuerdings in der Rechtsprechung vertreten, der Mieter habe als allgemeine Nebenpflicht aus dem Mietvertrag auch ohne konkrete Vereinbarung nach Vorankündigung in gewissen Abständen oder bei konkretem Bedarf ein Besichtigungsrecht, AG Münster, WuM 2009, 288; Rechtsgrundlage für eine Besichtigung nach 10 Jahren Mietdauer bilde bereits der Grundsatz von Treu und Glauben nach § 242 BGB, LG Oldenburg ZMR 2012, 956.

Da der Mieter anstelle des Vermieters während der Dauer des Mietverhältnisses das Hausrecht über die Wohnung ausübt, darf der Vermieter die vermietete Wohnung andererseits nicht beliebig, ohne Grund oder Zustimmung des Mieters betreten. Hier stehen sich zwei Grundrechte gegenüber: das des Eigentümers nach Art. 14 Grundgesetz und das des Mieters nach Art. 13 Grundgesetz.

Dies führt sogar zu der Konsequenz, dass der Mieter im Falle des unberechtigten und ankündigungslosen Betretens der Wohnung durch den Vermieter den Mietvertrag fristlos kündigen dürfte, vgl. LG Berlin, ZMR 1999, 400. Auch nach Beendigung des Mietvertrages, z. B. wegen einer Zahlungsverzugskündigung durch den Vermieter, darf dieser nicht ohne Gefahr in Verzug ohne Wissen und Wollen des Mieters die Mietwohnung betreten, Brandenburgisches OLG, Urteil vom 27.05.2009, Az. 3 U 39/09, zur Berechtigung des Verlangens des Mieters nach Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung durch den Vermieter.

Eine Vertragsklausel, wonach der Vermieter jederzeit Zutritt zur Wohnung beanspruchen darf, wäre unwirksam, vgl. Schmidt-Futterer/Eisenschmid § 535 Rz. 178. Sofern sich die Besichtigungsrechte ohne konkreten Anlass auf einen Abstand von mindestens 2 Jahren beschränken und eine rechtzeitige Ankündigung voraussetzen, galt die Klausel bislang überwiegend als wirksam, vgl. AG Münster, WuM 2009, 288. Ein angemessener Zeitabstand für ein periodisches Besichtigungsrecht ohne konkreten Anlass konnte danach bei einer älteren Wohnanlage auch ein Ein-Jahresturnus sein, AG Saarbrücken, ZMR 2005, 373. Jedenfalls aber nach 10 Jahren dürfe sich der Vermieter mal wieder einen Eindruck vom ordnungsgemäßen Zustand des Mietobjektes verschaffen, LG Oldenburg ZMR 2012, 956.


Die Entscheidung des BGH

Dem ist der BGH im Urteil vom 04.06.2014, Az. VIII ZR 289/13, nun entgegen getreten. Die ein anlassloses Betretungsrecht regelnde Klausel benachteilige den Mieter unangemessen und sei daher gemäß § 307 Abs. 1 BGB unwirksam. Dem Mieter sei „während der Dauer des Mietvertrags […] das alleinige und uneingeschränkte Gebrauchsrecht an der Wohnung zugewiesen.“ Vielmehr bestehe „eine vertragliche, aus § 242 BGB herzuleitende Nebenpflicht des Mieters, dem Vermieter – nach entsprechender Vorankündigung – den Zutritt zu seiner Wohnung zu gewähren, nur dann, wenn es hierfür einen konkreten sachlichen Grund gibt, der sich zum Beispiel aus der ordnungsgemäßen Bewirtschaftung des Objektes ergeben kann.“


Praxishinweis

Anerkannte Gründe für Wohnungsbesichtigungen sind insbesondere:

1.    Schadensverhütung/–beseitigung im Falle von Gefahr in Verzug;

2.    Mängel der Mietsache (Prüfung und Beseitigung, auch unter Zuhilfenahme von Handwerkern) ;

3.    Verdacht auf Vertragsverletzung durch den Mieter;

4.    geplante Modernisierung;

5.    Durchführung von Schönheitsreparaturen;

6.    Ablesung / Tausch von Messeinrichtungen;

7.    geplante Veräußerung;

8.    Vertragsende;

9.    Ausübung des Vermieterpfandrechts, (umstritten);

10.  Wechsel des Hausverwalters und Notwendigkeit der Information des Nachfolgers,

       LG Berlin, MM 1989, 23.

In den vorgenannten Fällen ist ein Betretungsrecht des Vermieters also überwiegend anerkannt, so dass sich eine vertragliche Regelung erübrigt. Das heißt nicht, dass der Vermieter die Wohnung gegen den Willen des besitzenden Mieters betreten darf, jedoch dass er einen Anspruch auf Besichtigung hat und diesen notfalls gerichtlich durchsetzen kann.

Die Rechtsprechungsänderung hat bereits Eingang in das aktuelle Vertragsmuster der Kanzlei („§ 11 Besichtigungsrecht des Vermieters / der Genossenschaft“) gefunden.

 

Noreen Walther
Rechtsanwältin

Aktuelle Information Nr. 30/2014

Rechtsanwälte Strunz ♦ Alter, Chemnitz