>

Betriebskostenguthaben in der Insolvenz von Mietern, die Leistungen nach dem SGB II beziehen

Bezieht ein Mieter Leistungen nach dem SGB II, von denen die Kosten der Unterkunft und Heizung direkt vom Jobcenter an den Vermieter gezahlt werden, stellt sich nicht selten die Frage, an wen ein Betriebskostenguthaben auszureichen ist: Jobcenter oder Mieter? Wird über das Vermögen des Mieters noch ein Insolvenzverfahren eröffnet, erhebt auch der Insolvenzverwalter Anspruch auf ein Betriebskostenguthaben.

Bei derartigen Sachverhalten stehen sich die Regelungen des Insolvenzrechts, § 108 InsO, und die Regelungen des SGB II, insbesondere § 22 SGB II, gegenüber. Der Insolvenz-verwalter erhebt aus seiner Vermögensverwaltungspflicht Anspruch auf Auszahlung des Guthabens. Nach der sozialrechtlichen Regelung des § 22 Abs. 1 S. 4 SGB II mindern Rückzahlungen und Guthaben, die den Kosten für die Unterkunft und Heizung zuzurechnen sind – also auch ein Betriebskostenguthaben –, die Aufwendungen des Jobcenters um eben diesen Betrag. Da die Vorschrift nach ihrem Wortlaut nicht darauf abstellt, ob der Schuldner das Guthaben tatsächlich ausgezahlt erhält, setzt das Jobcenter in der Regel den Guthabenbetrag von den Leistungen für Unterkunft und Heizung des Folgemonats ab und geht davon aus, dass der Vermieter das Guthaben behält, während der Vermieter das Guthaben in Erfüllung seiner zivilrechtlichen Pflichten aus dem Mietvertrag, der gem. § 108 InsO mit Wirkung für und gegen die Masse fortgesetzt wird, an den Insolvenzverwalter auszahlt. Diese Situation ist nicht nur für den Vermieter sondern auch für den Mieter unbefriedigend.

Die Rechtsprechung der Instanzgerichte löst dieses Dilemma auf zwei absolut gegensätzlichen Wegen. Nach dem vollstreckungsrechtlichen Ansatz, vertreten vom SG und LSG Berlin (Urteil vom 31.10.2007, Az.: S 125 AS 118475/07, Beschluss vom 29.9.2008, Az.: 86 T 497/08), sind Betriebskostenguthaben analog § 54 Abs. 4 SGB I i.V.m. § 850 f ZPO unpfändbar und fallen nicht in die Insolvenzmasse, wenn der Schuldner Leistungen nach dem SGB II erhält. Dagegen mindert ein Betriebskostenguthaben nach dem sozialrechtlichen Ansatz, der wohl herrschende Meinung der Sozialgerichte ist (vgl. LSG Hamburg, Urteil vom 16.07.2009, Az.: L 5 AS 81/08; SG Neubrandenburg, Urteil vom 06.05.2009, Az.: S 11 AS 1042/08, SG Schleswig, Urteil vom 30.11.2009, Az.: S 4AS 1144/07, NZS 2010, 458), die Kosten der Unterkunft und Heizung nur dann, wenn die Gutschrift dem Mieter auch tatsächlich ausgezahlt worden ist. Eine Auszahlung an den Insolvenzverwalter oder eine Verrechnung mit früheren Schulden des Mieters würde demnach nicht zu einer Minderung des seitens des Jobcenters zu zahlenden Betrages der Kosten der Unterkunft und Heizung führen.

Dem sozialrechtlichen Ansatz ist der Vorzug zu geben. Würden Betriebskostenguthaben eines Hilfeempfängers als unpfändbar angesehen, wären diese Guthaben auch nicht mit früheren Mietschulden verrechenbar. Damit wäre die Vermietung an einen ALG-II-Empfänger mit einem zusätzlichen Risiko für Vermieter belastet. Außerdem ist eine ergänzende Auslegung von § 22 Abs. 1 S. 4 SGB II einer analogen Anwendung der Pfändungsschutzvorschriften rechtssystematisch vorzuziehen.

In der Praxis bedeutet das, dass ein Guthaben sofern es nicht mit eigenen Forderungen verrechnet werden kann, an den Insolvenzverwalter auszureichen ist. Im Rahmen der Hilfestellung des Vermieters bei der Beantragung von Leistungen durch den Vermieter sollte darauf hingewirkt werden, dass ein Betriebskostenguthaben nur dann von den Leistungen für Unterkunft und Heizung abgesetzt wird, wenn es dem Mieter tatsächlich zufließt.

Jacqueline Köppen
Rechtsanwältin

im Kanzleiforum 09/2011

Rechtsanwälte Strunz ♦ Alter, Chemnitz