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Die Aufgabenverteilung bei der Geschäftsführung einer GmbH

Im Urteil vom 06.11.2018, Az. II ZR 11/17, setzte sich der BGH mit der Zulässigkeit und den Voraussetzungen einer wirksamen Geschäftsverteilung bzw. Ressortaufteilung auf Ebene der Geschäftsführung einer GmbH auseinander.

Sachverhalt:

Im Insolvenzverfahren über das Vermögen einer GmbH klagte der Insolvenzverwalter gegen einen von zwei Geschäftsführern auf Erstattung von Zahlungen in Höhe von 94.437,92 €, die dieser nach Eintritt der offensichtlichen Zahlungsunfähigkeit der GmbH geleistet hatte. Der Beklagte argumentierte, dass er aufgrund einer internen Geschäftsverteilung für die kaufmännische, organisatorische und finanzielle Seite des Geschäfts nicht zuständig war. Der nicht verklagte Geschäftsführer sagte aus, dass er dem Beklagten die wesentlichen finanziellen Daten bewusst verschwiegen habe, sodass der Beklagte aufgrund des nach außen weiterlaufenden Unternehmensbetriebs nicht auf eine finanzielle Krise der GmbH habe schließen können. Erst nachdem fast alle Restzahlungen nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit erfolgt waren, habe er dem Beklagten von der Zahlungsunfähigkeit der GmbH erzählt. Das Landgericht wies die Klage in I. Instanz ab. Auf die Berufung des Klägers verurteilte das Berufungsgericht den Beklagten zu einer Zahlung von 4.191,90 €, da der Beklagte zumindest ab dem Zeitpunkt der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit die noch ausstehende Zahlung hätte verhindern müssen. Der Kläger legte daraufhin Revision beim BGH ein.

Die BGH-Entscheidung:

Nach Ansicht des BGH reichte der Vortrag des Beklagten für einen Entlastungsbeweis nicht aus. Der Geschäftsführer, der einen Entlastungsbeweis über das zu seinen Lasten vermutete schuldhafte Verhalten führen will, müsse darlegen und beweisen, dass er gehindert war, die bestehende Insolvenzreife der Gesellschaft zu erkennen. Dabei sei zu berücksichtigen, dass die GmbH einem Geschäftsführer die zur Wahrnehmung seiner Pflichten erforderliche Übersicht über die wirtschaftliche und finanzielle Situation der Gesellschaft jederzeit ermögliche. Ob ein Geschäftsführer seiner Pflicht zur laufenden Kontrolle der wirtschaftlichen Lage der GmbH und zur weiteren Überprüfung bei Anzeichen einer Krise ausreichend nachgekommen ist, bedürfe daher einer umfassenden Beurteilung unter Berücksichtigung der für die Gesellschaft wirtschaftlich relevanten Umstände. Maßstab für die Beurteilung eines schuldhaften Handelns sei nach dem BGH gemäß § 64 Abs. 2 S. 2 GmbHG a.F. die Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmanns.

Demgegenüber schließe die persönliche Verantwortung für die Erfüllung der Insolvenzantragspflicht ein arbeitsteiliges Handeln bzw. eine Ressortverteilung der Geschäftsführung nach Ansicht des BGH nicht aus, da auch bei einer zulässigen Aufgabenverteilung der Geschäftsführer, dem nur einzelne Tätigkeiten zugewiesen sind, die Verantwortung für eine ordnungsgemäße Führung der Geschäfte nicht verliere. Eine Geschäftsverteilung oder Ressortsaufteilung auf Ebene der Geschäftsführung bedarf nach dem BGH einer klaren und eindeutigen Abgrenzung der Geschäftsführungsaufgaben basierend auf einer von allen Mitgliedern des Organs mitgetragenen Aufgabenzuweisung. Die Aufgabenverteilung müsse nach dem BGH zudem die vollständige Wahrnehmung der Geschäftsführungsaufgaben durch hierfür fachlich und persönlich geeignete Personen sicherstellen und habe unabhängig der Ressortzuständigkeit des einzelnen Geschäftsführers die Zuständigkeit des Gesamtorgans, vor allem für nicht übertragbare Aufgaben der Geschäftsführung aufrechtzuhalten.

Dabei setze die Aufgabenzuweisung nach Ansicht des BGH nicht zwingend eine schriftliche Dokumentation voraus. So sehe das Gesetz aus Sicht des BGH eine entsprechende Pflicht zur Schriftform nicht vor. Die Annahme, dass ohne eine schriftliche Dokumentation die Vorgaben an eine sorgfältige Unternehmensleitung nicht erfüllt werden, sei nicht für jeden Einzelfall allgemeingültig. Dennoch sei die schriftliche Dokumentation der Geschäftsverteilung bzw. Ressortverteilung innerhalb der Geschäftsführung regelmäßig das richtige Mittel für eine klare Aufgabenzuweisung und sorgfältige Unternehmensorganisation. Eine schriftliche Dokumentation könne nach Ansicht des BGH jedoch notwendig sein, wenn andernfalls eine klare und eindeutige Aufgabenverteilung im Hinblick auf die konkreten Verhältnisse der Gesellschaft oder die Art der Geschäftsverteilung nicht ausreichend möglich ist.

Dabei sei es nach dem BGH möglich, dass ein Geschäftsführer vorwiegend mit Kassen- und Buchführung und ein anderer Geschäftsführer vorwiegend mit den übrigen Aufgaben befasst wird und die Pflicht jedes Geschäftsführers, für alle Zweige der Geschäftsführung zu sorgen, von der Aufgabenteilung nicht umfasst sei. Soweit es nicht um die dem einen Geschäftsführer besonders zugewiesenen Aufgaben gehe, sei dieser jedoch zu einer Überwachung des Mitgeschäftsführers verpflichtet. Die Umgestaltungsmöglichkeit auf eine Überwachungspflicht des Mitgeschäftsführers setze nach dem BGH jedoch voraus, dass die Geschäftsverteilung/Ressortaufteilung das Vertrauen rechtfertige, dass jede Geschäftsführungsaufgabe einem Geschäftsführer zugeordnet ist und weder Zweifel über die Aufgabenabgrenzung, noch über den jeweils Verantwortlichen bestehen.

Die Geschäftsverteilung müsse zudem nach dem BGH von allen Geschäftsführern einvernehmlich mitgetragen werden. Ferner müssten sich die Geschäftsführer nach Ansicht des BGH vor der Aufgabenzuweisung jeweils von der gegenseitigen persönlichen und fachlichen Eignung zur Aufgabenerledigung vergewissern. Sofern in der Folge von einer ordnungsgemäßen Aufgabenerledigung ausgegangen werden könne, sei die Aufgabenzuweisung aus Sicht des BGH regelmäßig so zu verstehen, dass die Pflicht des zuständigen Geschäftsführers zur laufenden Unterrichtung der anderen Geschäftsführer über die wesentlichen Angelegenheiten der Gesellschaft bestehen bleibt und die übrigen Geschäftsführer ohne ausdrückliche Regelung annehmen können, von dem anderen Geschäftsführer zuverlässig und rechtzeitig über die Punkte informiert zu werden, die für die Wahrnehmung der ihnen obliegenden Aufgaben erforderlich sind.

Aus Sicht des BGH konnte den Feststellungen des Land- und Berufungsgerichts nicht entnommen werden, ob die gewählte Organisationsform unter Berücksichtigung der konkreten Verhältnisse der GmbH sachgerecht war und der Beklagte auf eine ordnungsgemäße Erledigung praktisch aller wesentlichen Geschäftsführungsaufgaben durch den nicht verklagten Geschäftsführer vertrauen konnte, insbesondere, ob sich der Beklagte ausreichend vergewissert hat, dass der nicht verklagte Geschäftsführer die erforderliche fachliche und persönliche Eignung für die ihm zugewiesenen Tätigkeiten aufweist. Warum der Beklagte darauf vertrauen durfte, über wesentliche Angelegenheit der Gesellschaft zuverlässig informiert zu werden, sei ebenfalls noch nicht abschließend geklärt. Für die Frage, ob ein Geschäftsführer seiner Überwachungspflicht ausreichend nachgekommen ist, reicht es nach Ansicht des BGH jedenfalls nicht aus, auf eine Überprüfung der Kontostände der GmbH abzustellen, da diese nicht geeignet seien, die wirtschaftliche Lage der GmbH festzustellen. Aus Sicht des BGH müsse der Geschäftsführer die Geschäftsabläufe jedoch derart organisieren, dass ihm ein Überblick über die wirtschaftliche Lage der GmbH jederzeit möglich sei. Auch wöchentliche oder 14-tägige Besprechungen sind nach dem BGH lediglich ein Mittel, die gebotene Information der Geschäftsführer zu ermöglichen, und können kein Instrument der Kontrolle einer ordnungsgemäßen Aufgabenerledigung im kaufmännischen Geschäftsbereich sein.

Nach dem BGH lasse sich das Ob und die Art und Weise der notwendigen Kontrollmaßnahmen eines Geschäftsführers nur unter Würdigung der aus den Jahresabschlüssen ersichtlichen Geschäftszahlen der GmbH und den Darlegungen des Geschäftsführers entnehmen, dass dieser im Hinblick auf die zurückliegenden Geschäftszahlen und die Erkenntnisse von den aktuellen Geschäftsabläufen keinen Grund gehabt habe, weitergehende Kontrollmaßnahmen durchzuführen. Eine lediglich jährliche Kontrolle der Geschäftszahlen soll nach dem BGH bei der Zuständigkeit eines Mitgeschäftsführers im kaufmännischen Bereich der Gesellschaft stattdessen regelmäßig nicht genügen. Ferner sei der verklagte Geschäftsführer dafür darlegungs- und beweisbelastet, dass ihm Anhaltspunkte für Unregelmäßigkeiten bei der Erledigung von Geschäftsführungsaufgaben oder Indizien für eine krisenhafte Entwicklung im Unternehmen nicht schuldhaft verborgen blieben. Nach dem BGH sei insbesondere die nur teilweise gezahlte Geschäftsführervergütung ein erheblicher Anhaltspunkt für eine Krise der GmbH, dem der Geschäftsführer hätte nachgehen müssen. Der verklagte Geschäftsführer könne sich aus Sicht des BGH auch nicht darauf berufen, aufgrund der Aufgabenverteilung keine Kenntnisse über die im Prozess behaupteten Verbindlichkeiten zu haben. Denn auch eine zulässige Aufgabenverteilung enthebe den Geschäftsführer nicht von seiner grundsätzlichen Verantwortung, für eine ordnungsgemäße Buchführung zu sorgen.

Zur Klärung der durch das Berufungsgericht noch nicht festgestellten Punkte hat der BGH das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückgewiesen. Das Berufungsgericht muss nunmehr unter Beachtung der vom BGH vertretenen Rechtslage erneut prüfen, ob das Verhalten des Beklagten der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmanns entsprach.

Praxishinweis:

Damit stellt der BGH ausdrücklich klar, dass die Geschäftsführer auch bei einer wirksamen Aufgabenverteilung weiterhin für eine insgesamt ordnungsgemäße Geschäftsführung verantwortlich bleiben und so auch u.a. zur Überwachung der ihnen nicht übertragenen Aufgabenbereiche und somit der Mitgeschäftsführer verpflichtet sind. Daher werden an einen Entlastungsbeweis für zunächst vermutetes schuldhaftes Verhalten sehr hohe Anforderungen gestellt, für die das bloße Berufen auf die Aufgabenverteilung grundsätzlich nicht ausreicht.

(Quelle: BGH Urteil vom 06.11.2018 – II ZR 11/17)

Eva-Maria Kreis

Rechtsanwältin

Kanzleiforum 01/2019
Rechtsanwälte Strunz ♦ Alter, Chemnitz