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Anordnung der Nachlasspflegschaft zwecks Räumung einer Mietwohnung auch bei dürftigem Nachlass

Das Kammergericht hat im Beschluss vom 02.08.2017 zu Aktenzeichen 19 W 102/17 die bereits herrschende Rechtsprechung bekräftigt, wonach Nachlassgerichte verpflichtet sind, gem. § 1961 BGB eine Nachlasspflegschaft auf Antrag des Vermieters anzuordnen, um diesem die Geltendmachung von Ansprüchen gegen den Nachlass auf Räumung zu ermöglichen. Dies gelte auch dann, wenn der Mieter vermögenslos war bzw. der Nachlass voraussichtlich dürftig ist.

In der Praxis ist nach wie vor die Reaktion bei Nachlasspflegern vorherrschend, entsprechende Anträge von Vermietern auf Nachlasspflegschaft mit der Begründung abzuweisen, die Vermieter könnten die ungenutzte Wohnung des verstorbenen Mieters selbst räumen, da diesen ein Vermieterpfandrecht zustünde.

Diese Rechtsauffassung ist grundlegend fehlerhaft und stellt möglicherweise sogar eine Aufforderung zu einer Straftat dar. Der Vermieter hat während des Bestehens eines Mietverhältnisses bis zur Rückgabe des Mietobjektes keinen Anspruch auf Betreten und schon gar nicht auf Räumung der Wohnung, abgesehen von Fällen der Gefahr in Verzug. Dies würde somit den Tatbestand des Hausfriedensbruchs erfüllen können. Die eigenmächtige Räumung könnte zudem den Straftatbestand der Nötigung und Unterschlagung erfüllen.

In jedem Falle steht dem Vermieter ein legales Rechtsinstrument zur Verfügung, um seinen Anspruch auf Räumung und Herausgabe durchsetzen zu können.

Dabei ist zu berücksichtigen, dass bei Versterben eines Mieters der Mietvertrag nicht etwa endet, sondern kraft Gesetzes gem. § 563 ff. BGB mit Mitbewohnern, Haushaltsangehörigen bzw. ggf. Erben fortgesetzt wird. Selbst wenn sämtliche natürlichen Erben die Erbschaft ausgeschlagen haben oder solche gar nicht vorhanden wären, würde der Erblasser in jedem Falle durch den Ersatzerben, das Bundesland, in welchem der Erblasser zuletzt seinen Wohnsitz hatte, beerbt werden. Diese Ersatzerbschaft ist jedoch gerichtlich erst in einem Verfahren gem. §§ 1934, 1967 BGB festzustellen. In der Regel dauert die Erbermittlung und Ersatzerbenfeststellung mehrere Monate. In dieser Zeit hätte die Wohnung beräumt und neu vermietet werden können.

Um entsprechendem Ausfall vorzubeugen, bedarf es der Bestellung eines Nachlasspflegers, der im Interesse des Nachlasses Schaden von diesem abwendet. Er kann beschränkt auf die Angelegenheit der Beendigung des Mietverhältnisses und die Rückgabe des Mietobjektes bestellt werden, um die entsprechenden Kosten für den Nachlass so gering wie möglich zu halten.

Dieses Instrument stellt der Gesetzgeber in § 1961 BGB zur Verfügung. In diesem Rahmen ist aber nicht etwa normiert, dass es auf das Vermögen des Nachlasses ankäme. Fehlerhaft wird durch Nachlasspfleger jedoch immer wieder auf dieses Kriterium abgestellt, was wohl den Hintergrund hat, dass nach der gesetzlichen Regelung der Nachlassgläubiger nicht zur Erstattung der Gerichtskosten verpflichtet ist und dementsprechend bei dürftigem Nachlass die Kosten des Verfahrens der Staatskasse zur Last fallen.

Es kann daher nur dringend empfohlen werden, in Fällen ungeklärter Erbschaft einen Nachlasspfleger bei Gericht bestellen zu lassen, um mit diesem die Mietvertragsaufhebung zu vereinbaren oder ihm eine Mietvertragskündigung zuzustellen. In der Regel wird bei dürftigem Nachlass eine Besitzaufgabe durch den Nachlasspfleger erfolgen, um dem Vermieter zumindest zu ermöglichen die Wohnung kurzfristig, wenn auch auf eigene Kosten, zu beräumen und einer Neuvermietung zuführen zu können.

Der Vermieter hat weder einen Vorschuss zu leisten, noch Kosten der Nachlasspflegschaft zu tragen. Vielmehr hat er einen Anspruch auf unbedingte Bestellung eines Nachlasspflegers – ggf. beschränkt auf den erforderlichen Regelungskreis. Es genügt die schlüssige und substantiierte Behauptung des Anspruchs auf Herausgabe und Räumung bzw. zunächst auf Beendigung des Mietverhältnisses. Das Interesse der Nachlassgerichte, die Belastung der Staatskasse bei mittellosen Nachlässen wegen des gerichtlichen Bestellungsverfahrens zu vermeiden, legitimiert nicht zur Ablehnung von entsprechenden Anträgen der Vermieter. Zudem können die Nachlassgerichte ohne hinreichende Prüfung vor Ort nicht wirklich beurteilen, ob der Nachlass tatsächlich dürftig ist.

 

Noreen Walther
Rechtsanwältin

Aktuelle Information Nr. 03/2018

Rechtsanwälte Strunz ♦ Alter, Chemnitz