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Anforderungen der Rechtsprechung an die Zulässigkeit der öffentlichen Zustellung der Klageschrift bei unbekanntem Aufenthaltsort des Beklagten

Der BGH hat mit Urteilen vom 04.07.2012 (Az. XII ZR 94/10) und 06.12.2012 (Az. VII ZR 74/12) die Voraussetzungen für eine öffentliche Zustellung von Klageschriften bei unbekanntem Aufenthaltsort des Beklagten erheblich verschärft. Demnach dürfe die öffentliche Zustellung durch das zuständige Gericht nur dann angeordnet werden, wenn der Kläger alle „geeigneten und zumutbaren Nachforschungen“ angestellt hat um den Aufenthaltsort zu ermitteln und sofern er diese Bemühungen auch gegenüber dem Gericht dargelegt hat. Die einfache erfolglose Nachfrage beim Einwohnermeldeamt oder Postamt des letzten Wohnsitzes des Beklagten genüge nicht.

Vorausgegangen waren der Entscheidung des BGH vom 04.07.2012 Urteile des Amtsgerichts und Landgerichts Chemnitz, die die bei den hiesigen Gerichten noch recht unkomplizierte Möglichkeit der öffentlichen Zustellung befürwortet hatten. Das Amtsgericht Chemnitz hatte zunächst eine öffentliche Zustellung, trotz nicht hinreichender Voraussetzungen hierfür, bewilligt und nach Fristablauf ein Versäumnisurteil gegen den Beklagten erlassen. Nachdem die Einspruchsfrist von zwei Wochen gegen das Versäumnisurteil bereits abgelaufen war, legte der Beklagte doch noch Einspruch ein und beantragte Widereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Einspruchsfrist. Der BGH stellte fest, dass mangels Zulässigkeit der öffentlichen Zustellung das Versäumnisurteil nicht hätte ergehen dürfen und hob dieses daher nachträglich auf.

Gemäß § 185 ZPO können die Klageschrift sowie weitere Schriftsätze und prozessleitende Verfügungen einer Partei, deren Aufenthaltsort unbekannt ist, durch öffentliche Bekanntmachung zugestellt werden.

Der BGH stellt nun fest, dass von einem unbekannten Aufenthaltsort nur dann ausgegangen werden könne, wenn die Allgemeinheit – und nicht nur das Gericht – den Aufenthaltsort nicht kennt. Die antragstellende Partei müsse deshalb alle geeigneten und ihr zumutbaren Nachforschungen anstellen und ihre Bemühungen auch darlegen. Nach Ansicht des BGH seien hohe Anforderungen an den Nachweis zu stellen, weil anderenfalls die Gewährung rechtlichen Gehörs für den Zustelladressaten nicht gewährleistet sei. Deshalb müsste der Antragsteller auch persönlich beim ehemaligen Arbeitgeber, beim letzten Vermieter oder bei Hausgenossen und Verwandten nachfragen um den Aufenthalt zu ermitteln. Im Zweifel sei das Gericht auch zu eigenen Überprüfungen verpflichtet.

Seine Rechtsprechung bestätigt der BGH nunmehr im Urteil vom 06.12.2012. Es ist damit zu rechnen, dass diese höchstrichterliche Rechtsprechung nunmehr auch Berücksichtigung in der hiesigen amts- und landesrichterlichen Rechtsprechung findet.

Daher ist bei Aufträgen an die Kanzlei, insbesondere sofern laufende Verjährungsfristen gewahrt werden müssen, bitten wir daher um Beachtung folgender Empfehlungen:

  1. Die Selbstauskunft des Mieters bzw. die Mietschuldenfreiheitsbescheinigung des Vorvermieters ist einzusehen. Sofern sich darin Angaben über den Vorvermieter finden, ist dieser zu befragen.
     
  2. Sofern Informationen über den Arbeitgeber des Schuldners bekannt sind, ist jener zu kontaktieren.
     
  3. Die Bewohner des Wohngebäudes sind zu befragen, ob diesen der aktuelle Aufenthaltsort bekannt ist.
     
  4. Eine schriftliche Auskunft des Einwohnermeldeamtes ist einzuholen.
     
  5. Bekannte/Verwandte sind zu befragen.
     

Sofern die Recherchen bei Zeugen nur mündlich erfolgen, sollte unverzüglich nach dem Gespräch eine schriftliche Aktennotiz gefertigt werden.

Die Kanzlei bittet darum, bei Mandatserteilung hinsichtlich Klagen, die öffentliche zugestellt werden sollen, die entsprechenden Unterlagen sogleich im Interesse der Vermeidung von zeitlichen Verzögerungen einzureichen. Gern kann die Kanzlei auch entsprechende Informationen beim Einwohnermeldeamt kostenpflichtig einholen.

Noreen Walther
Rechtsanwältin