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Aktuelles zum Wohnungseigentumsrecht – ein Bericht aus Fischen

Das alljährliche Fachgespräch des ESWiD in Fischen stand in diesem Jahr unter dem Motto: „60 Jahre WEG – Immer noch Neues zum Verwalter“.

So referierte Dr. Elzer, Richter am KG, zu den Pflichten des Verwalters bei Beschädigung des gemeinschaftlichen Eigentums und wies – wie zahlreiche weitere Referenten – ausdrücklich auf den beschränkten Umfang der Notmaßnahmenkompetenz des Verwalters hin. Bildlich verdeutlichte er dies anhand des Beispielsfalles, in dem der Verwalter nach dem Brand des Dachstuhles zwar notdürftig ohne vorherige Beschlussfassung eine Abdeckung zum vorläufigen Schutz gegen  Niederschläge aufbringen jedoch nicht etwa einen Auftrag zur Neueindeckung des Daches vergeben darf. Dies ist der Entscheidungskompetenz der Eigentümer vorbehalten, die u. U. die Gelegenheit sogleich zu einer Neugestaltung, Dämmung o. Ä. nutzen könnten. Nach seiner Ansicht sei es auch erforderlich, dass der Verwalter das Gemeinschaftseigentum zweimal jährlich, davon einmal pro Jahr mit einem Bausachverständigen inspiziere. Schließlich hält Dr. Elzer auch Klauseln in Verwalterverträgen, die dem Verwalter die Entscheidungskompetenz zum Abschluss von Werk- und Dienstleistungsverträgen ohne vorherige Beschlussfassung übertragen, für nichtig – selbst bei doppelt beschränktem Umfang.

Frau RiLG Kuhla aus Berlin vertrat die Auffassung, der Verwalter habe die Pflicht zur Einberufung einer Eigentümerversammlung selbst wenn das Minderheitenquorum nicht erreicht sei aber ein dringender Versammlungsgrund bestehe – wie eine Verwalterpflichtverletzung. Sei eine Versammlung bereits einberufen und weigere sich der Verwalter, die Tagesordnung nachträglich zu erweitern, könne auch der Beirat eine Änderung der Tagesordnung vornehmen, § 24 Abs. 3 WEG (a maiore ad minus).

Mit Versorgungssperren bei vermietetem Sondereigentum befasste sich RiLG Dr. Suilmann aus München. Er wies zunächst auf die Entscheidung des BGH vom 10.06.2005 hin, wonach eine Sperre bei einem Hausgeldrückstand von 6 Raten beschlossen werden könne. Nach Ansicht des Referenten sei die Sperre auch bei vermietetem Sondereigentum rechtlich zulässig aber praktisch nicht durchsetzbar, weil der Mieter das Betreten der Wohnung zum Zwecke der Absperrung durch den Verwalter bzw. die Gemeinschaft nicht dulden müsse. Das Urteil des LG München vom 08.11.2010, Az. 1 S 10608/10, wonach die Gemeinschaft auch eine Stromsperre durchsetzen könne, selbst wenn nicht die Gemeinschaft den Strom beziehe und die Kosten verteile sondern ein Direktvertrag zwischen Lieferant und Versorger bestehe, hielt Dr. Suilmann für bedenklich, weil dann kein Fall der Leistungseinstellung sondern des Entzuges eines Gebrauchsrechtes vorliege, der nicht beschlossen sondern nur vereinbart werden könne, BGH, Beschluss vom 20.09.2000.

Prof. Dr. Lehmann-Richter wies auf die öffentlich-rechtliche Verantwortung des Verwalters für Gemeinschafts- und Sondereigentum hin. So würden zunehmend Verwalter als Zustands- oder gar Handlungsstörer polizeilich persönlich in Anspruch genommen, insbesondere nach baurechtswidrigen oder gar unterlassenen Instandsetzungsmaßnahmen.

Prof. Dr. Häublein erläuterte die Grenzen der Zulässigkeit von Stimmrechtsvollmachten. Insbesondere könnten diese dem Verwalter nicht hinsichtlich der Tagesordnungspunkte Entlastung, vorzeitige Abwahl oder Abmahnung des Verwalters erteilt werden, weil zwar die Regelungen des Verbotes von Insichgeschäften nach § 181 BGB verzichtbar seien – nicht aber die des § 25 Abs. 5 WEG.

Mit der Feststellung und Verkündung fehlerhafter Beschlüsse durch den Verwalter befasste sich Prof. Dr. Becker. Er empfahl den Verwaltern bei anfechtbaren Beschlüssen, vor der Abstimmung auf die Fehlerhaftigkeit eines beabsichtigen Beschlusses hinzuweisen, den Mangel bei der Beschlussverkündung aber nicht zu beachten. Des Weiteren riet er dazu, auch über nichtige Beschlüsse abstimmen zu lassen, um die Willensbildung nicht zu versagen. Schließlich wies er auf das Urteil des LG München (NZM 2009, 868) hin, wonach der Verwalter einen einfachen Mehrheitsbeschluss nicht positiv als Zitterbeschluss verkünden müsse, wenn die erforderliche Allstimmigkeit nicht erreicht wird.

Im Rahmen des Vortrages von RiAG Dr. Bonifacio wurde – nicht zuletzt durch Zwischenfragen der anwesenden Verwalter – deutlich, dass die Gerichte offenbar zunehmend von der Möglichkeit nach § 49 Abs. 2 WEG Gebrauch machen, dem Verwalter die Kosten eines Rechtsstreits wegen seines Fehlverhaltens aufzuerlegen.

Dr. Jan-Hendrik Schmidt erläuterte den Beschluss des LG Aurich vom 26.07.2010, wonach der Verwalter im Vollstreckungsverfahren gegen die WEG verpflichtet ist, das Vermögensverzeichnis der Gemeinschaft zu erstellen und die Richtigkeit und Vollständigkeit der Angaben an Eides Statt zu versichern. Die Konsequenz aus dem Beschluss des BGH vom 28.09.2006 (Az. V ZB 35/06) sei zudem, dass sich der Verwalter der Erklärung nach Ladung zum Abgabetermin durch den Gerichtsvollzieher auch nicht mehr durch Amtsniederlegung entziehen könne.

Auf die Neuregelung in § 19 VVG wies Prof. Dr. Armbrüster hin. Er empfahl den Verwalter bei Übernahme einer neuen Verwaltung, den Versicherer zur Vermeidung einer haftungsträchtigen Unterversicherung ausdrücklich zu befragen, wie der Wert zu ermitteln sei. Die Vereinbarung eines Selbstbehaltes im Versicherungsfall sei bei vermietetem Eigentum ungünstiger als die Zahlung einer höheren Prämie, weil letztere auf den Mieter umlegbar sei. Hinsichtlich des Erhalts einer Provision sei der Verwalter auskunfts- und auskehrpflichtig, bei Verschweigen könne er fristlos abberufen werden. Um Unterversicherungen durch spätere Werterhöhungen des Sondereigentums auszuschließen sollte der Verwalter die Sondereigentümer zu Mitwirkung, d. h. Auskunft, auffordern. Der Verwalter möge zudem §§ 144, 148 VVG beachten, wonach vor einer ordentlichen Versicherungskündigung u. U. die Zustimmung der Grundpfandrechtsgläubiger einzuholen sei.

Ob der Abschluss einer Vermögensschadenhaftpflichtversicherung für den Beirat durch die Gemeinschaft ordnungsgemäßer Verwaltung entspreche, sei umstritten, so Frau RAin Scheuer. In Betracht komme dies jedenfalls nur – wie auch bei der D & O – Versicherung – nur, wenn ein angemessener Selbstbehalt zu Lasten des Beirates vorgesehen sei, um diesem einen Anreiz zu pflichtgemäßem Verhalten zu bieten.

Richter am BGH Prof. Dr. Schmidt-Ränsch aus dem 5. und für WEG-Fragen zuständigen Senat gab schließlich einen Überblick über die aktuellen höchstrichterlichen Entscheidungen, auf die hier auszugsweise in Kernsätzen hingewiesen werden soll:

  • 08.07.2011: Heizkörper und Abschlussleitungen sowie Heizungs- und Thermostatventile sind sondereigentumsfähig.
  • 10.06.2011: Der jeweils Einladende kann eine anberaumte Versammlung auch wieder absetzen.
  • 13.05.2011: Eine Anfechtungsklage ist auch nach Vollzug eines Beschlusses zur Instandsetzung noch möglich, soweit dieser noch Auswirkungen auf Folgeprozesse habe. Von den Kosten des Vollzuges könne sich der Eigentümer aber nicht entsprechend § 16 Abs. 4WEG befreien, es gelte § 16 Abs. 2 WEG.
  • 08.04.2011: Eine Videoanlage darf in ein Klingeltableau eingebaut werden, wenn die Kamera nur durch die Klingel aktiviert und nach spätestens einer Minute deaktiviert wird und die Bildübertragung ohne dauerhafte Aufzeichnung nur in die Wohnung erfolgt.
  • 01.04.2011: Vor der Beschlussfassung über die Verwalterbestellung müssen mehrere Angebote eingeholt werden, nicht aber vor der Wiederbestellung des amtierenden Verwalters – es sei denn es besteht Unzufriedenheit mit der Verwaltung.
  • 04.03.2011: Auch unberechtigterweise aus Gemeinschaftsmitteln getätigte Ausgaben sind in die Jahresabrechnung einzustellen.
  • 18.02.2011: Die Notgeschäftsführungsbefugnis berechtigt den Verwalter nur zu Maßnahmen der unmittelbaren Gefahrenbeseitigung, nicht jedoch der dauerhaften Ursachenbekämpfung.
  • 11.02.2011: Jeder Wohnungseigentümer kann Einsicht in die Verwaltungsunterlagen beim Verwalter nehmen und sich dort auf seine Kosten Kopien anfertigen lassen. Der Anspruch auf Auskunft zu Abrechnung und Wirtschaftsplan steht jedoch nur allen Eigentümern gemeinschaftlich zu, es sei denn die Auskunft betrifft nur die Angelegenheit des Einzelnen oder die Eigentümer wollen von ihrem Auskunftsanspruch gemeinsam keinen Gebrauch machen.
  • 10.12.2010: Die Regelung in der Teilungserklärung, wonach die Versammlung einen Hausgeldschuldner von der Teilnahme und Abstimmung  ausschließen kann, sei unwirksam, weil dies einen Kernbereich elementarer Mitgliedschaftsrechte betreffe, der nicht entziehbar sei. Selbst bei einem Entziehungsverfahren behalte der Eigentümer seine Stimmrechte bis zu seiner rechtskräftigen Verurteilung. Auch bei erheblichem Verzug und damit schwerwiegendem Pflichtverstoß sei ein Teilhaberecht unentziehbar.

Nicht unerwähnt bleiben sollen auch die zahlreichen Aussteller, die über ihre neuen Vorhaben informierten. So verlautete bspw. die Ankündigung einzelner Abrechnungsunternehmen, auch die Prüfungen lt. der neuen TrinkwasserVO durchführen bzw. vermitteln zu wollen.

Noreen Walther
Rechtsanwältin

in Kanzleiforum 12/2011

Rechtsanwälte Strunz ♦ Alter, Chemnitz