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Problematik der Wohnflächenermittlung nach der Rechtsprechung des BGH

Der Bundesgerichtshof hatte sich in den vergangen Jahren immer wieder mit der Frage zu beschäftigen, wie und auf welcher Grundlage die Wohnfläche für Mietwohnungen zu ermitteln sei und welche Auswirkungen die Angabe falscher Wohnflächen auf den Mietvertrag hat.

Zunächst war in allen Sachverhalten zu prüfen, auf welcher Grundlage die Wohnfläche zu berechnen war. In Frage kommen dabei:

– Wohnflächenverordnung (seit 01.01.2004)

– §§ 42 bis 44 II. Berechnungsverordnung a.F. (bis 31.12.2003)

– DIN 283

– ortsübliche Maßstäbe

– besondere mietvertragliche Vereinbarungen der Parteien.

Nach dem Urteil des BGH vom 24.03.2004 (VIII ZR 4403) ist die Wohnfläche einer Mietwohnung auch im frei finanzierten Wohnungsbau nach den Regeln für den preisgebundenen Wohnungsbau zu bestimmen. Dies gilt jedenfalls soweit keine abweichende Vereinbarung durch die Mietvertragsparteien getroffen wurde.

Eine Anwendung der Berechnungsregeln der DIN 283 kommt nur in Frage wenn dies ausdrücklich zwischen den Mietvertragsparteien vereinbart wurde (BGH, Urteil vom 23. Mai 2007 – VIII ZR 231/06 -).

Darüber hinaus sind aber auch völlig abweichende Berechnungsregeln mietvertraglich vereinbar, wie z.B. die ausschließlich Berücksichtigung von Grundfläche auch unter Dachschrägen oder die Berücksichtigung von Kellerflächen.

Die Berechnungsregeln für den preisgebundenen Wohnraum fanden sich bis Ende 2003 in den §§ 42 bis 44 der II. Berechnungsverordnung und wurden dann zum 01.01.2004 in die Wohnflächenverordnung überführt.

Da es zwischen beiden Verordnungen geringfügige Unterschiede gibt, stellte sich aber nun die Frage, wann welche der beiden Verordnungen Anwendungen finden sollte.

Für den Standpunkt, dass jeweils die Verordnung anzuwenden ist, die bei der einheitlichen Berechnung aller Wohnflächen im Gebäude in Kraft war spricht die Überlegung, dass u.a. wegen der Auswirkungen auf die Betriebskostenabrechnung, alle Wohnungen eines Gebäudes gleich bewertet werden müssten.

Auf der anderen Seite könnte man auch darauf abstellen, welche Verordnung zum Zeitpunkt des Abschlusses des Mietvertrages gegolten hat, da mit der Flächenangabe im Mietvertrag eine Eigenschaft der Mietsache speziell gegenüber diesem Mieter im Zeitpunkt der Mietvertragsverhandlungen  abgegeben wird.

Der Bundesgerichtshof hat sich in einem Fall, in dem es um eine Mietminderung wegen Flächenabweichung ging auf den Standpunkt gestellt, dass jeweils die Berechnungsregel anzuwenden ist, die beim Abschluss des Mietvertrages in Kraft war (BGH, Urteil vom 22.04.2009 – VIII ZR 86/08). Das führt natürlich dazu, dass in einer Liegenschaft die Berechnung je nach Zeitpunkt des Mietvertrages unterschiedlichen Maßstäben unterliegt. So war die Balkonfläche nach der II. BV bis zu 50 % als Wohnfläche anzurechnen. Nach der Wohnflächenverordnung ist die Balkonfläche in der Regel zu einem Viertel, höchsten zur Hälfte anzurechnen.

Nach Ansicht des BGH (Urteil vom 22. April 2009 – VIII ZR 86/08 -) stand es dem Vermieter nach § 44 II. BV frei, ob er die Balkonfläche bis zu 50 % anrechnete oder aber mit einem geringeren Prozentsatz. Eine Staffelung der Anrechnung nach Lage, Ausrichtung oder Nutzbarkeit der Außenflächen sah § 44 Abs. 2 II. BV nach Meinung des BGH nicht vor.  Das Auswahlermessenen war höchsten durch eine ortsübliche Verkehrssitte begrenzt. Bei der Bestimmung der Wohnflächen nach 1990 in Sachsen war eine solche ortsübliche Verkehrssitte nicht etabliert, so dass eine Anrechnung zu 50 % üblich war.

Nach § 4 der Wohnflächenverordnung ist nun in der Regel die Balkonfläche nur zu einem Viertel anzurechnen. Wenn darüber hinaus gegangen werden soll, muss es dafür eine Begründung geben. Diese kann nach den in der Gesetzesbegründung festgehaltenen Vorstellungen des Verordnungsgebers u.a. eine besonders gute Lage oder eine sehr aufwendige Gestaltung des Balkons sein, die den Wohnwert erhöhen.

Demnach besteht nach der Rechtsprechung des BGH die Problematik, dass je nach Mietvertragsbeginn, bei Liegenschaften mit Balkonen die Wohnflächen unterschiedlich zu berechnen sind.

Die praktischen Auswirkungen dieser Rechtsprechung sind jedoch relativ gering, da nach den Vorstellungen des BGH Flächenabweichungen zwischen vereinbarter und tatsächlicher Fläche erst ab 10 % Auswirkungen haben. Dies gilt sowohl für die Frage ob eine Mietminderung berechtigt ist, als auch für die Berücksichtigung bei der Betriebskostenumlage (BGH, Urteil vom 31. Oktober 2007 – VIII ZR 261/06 -). Nach neuester Rechtsprechung wird diese Grundsatz auch bei ca.-Angaben zur Mietfläche in Mietverträgen angewendet (Urteil vom 10. März 2010 – VIII ZR 144/09 –), was bedeutet, dass auch bei ca.-Angaben bei Abweichungen über 10 % ein Minderungsrecht besteht und die tatsächliche Wohnfläche der Betriebskostenabrechnung zu Grunde zu legen wäre.

Da hinsichtlich der Auswirkungen auf die Betriebskostenabrechnung an der Rechtsprechung erhebliche Kritik geäußert wurde und wird, ist in diesem Bereich eine Änderung der BGH-Rechtsprechung nicht ausgeschlossen.

Es stellt sich daher die Frage, wie bei der Gestaltung von Mietverträgen auf das Problem reagiert werden sollte.

Da von der Rechtsprechung individuell abweichende Vereinbarungen zu den Vorgaben der Wohnflächenverordnung zugelassen sind, wäre eine Möglichkeit, als Berechnungsgrundlage ausdrücklich die §§ 42 bis 44 II. Berechnungsverordnung a.F. im Mietvertrag zu vereinbaren. Dadurch könnte eine einheitliche Berechnungsweise für die Liegenschaft abgesichert werden.

Martin Alter
Rechtsanwalt

im Kanzleiforum 03/2010

Rechtsanwälte Strunz ♦ Alter, Chemnitz