>

BGH: Zahlungsverzugskündigung und Mietzahlung durch Jobcenter

Der für die Wohnraummiete zuständige Zivilsenat beim BGH hat am 29.06.2016 zu Az. VIII ZR 173/15 erneut eine Entscheidung zur Zulässigkeit der fristlosen Kündigung des Vermieters von Wohnraum bei Zahlungsverzug des Mieters, der auf Transferleistungen angewiesen ist, verkündet.

Hintergrund:

Bereits im Kanzleiforum März 2010 hatten wir über die Entscheidung des BGH vom 21.10.2009, Az. VIII ZR 64/09, berichtet. Darin hatte der BGH die Zulässigkeit einer fristlosen Verzugskündigung des Vermieters verneint, sofern dem verspätete Mietzahlungen des Sozialleistungsträgers zugrunde liegen, da selbiger nicht Erfüllungsgehilfe des Vermieters im Verhältnis zur Erfüllung der Mieterpflichten aus dem Mietvertrag gegenüber dem Mieter sei.

In unserem Artikel im Kanzleiforum hatten wir darauf hingewiesen, dass es nicht grundsätzlich eine Zahlungsverzugskündigung ausschließt, wenn Zahlungen teilweise oder vollständig nicht oder verspätet eingehen. Entscheidend sollte sein, dass die Pflichtverletzung lediglich nicht ausschließlich im Bereich des Sozialleistungsträgers begründet ist.

Die Untergerichte hatten jedoch in der Folge der Entscheidung des BGH von 2009 die Auffassung vertreten, dass bei einer verspäteten Zahlung des Sozialleistungsträgers eine Kündigung des Vermieters ausgeschlossen sei.

Dem ist der BGH nunmehr im Urteil vom 29.06.2016 entgegengetreten.

Die Entscheidung:

Zunächst stellte der BGH fest, dass die Generalklausel des § 543 Abs. 1 BGB auch unabhängig vom Verschulden des Mieters an der Pflichtverletzung eine Abwägung erfordert, ob dem Vermieter unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls ein Festhalten bis zum Ablauf einer ordentlichen Kündigungsfrist zumutbar ist. Zwar sei das Verschulden des Jobcenters bezüglich unpünktlicher Mietzahlungen dem Mieter nicht zuzurechnen, da die Behörde lediglich im Rahmen der Daseinsvorsorge staatliche Transferleistungen erbringe und nicht Erfüllungsgehilfe des Mieters gegenüber dem Vermieter sei.

Ein Verschulden einer Vertragspartei sei auch ein sehr maßgeblicher Umstand im Rahmen der Abwägung, ob eine Kündigung zulässig ist. Dies stelle jedoch nach BGH keine zwingende Kündigungsvoraussetzung dar. So könne beispielsweise eine Gesamtabwägung auch zu einem Kündigungsrecht führen, wenn unabhängig vom Verschulden des Mieters etwa zahlreiche Verspätungen aufgetreten sind oder über einen erheblichen Zeitraum und erhebliche Beträge Rückstände zu verzeichnen sind oder aber auch wenn der Vermieter ganz besonders auf einen pünktlichen Mieteingang angewiesen ist, weil er als Privatvermieter daraus seinen Lebensunterhalt bestreitet. Auch ein unzumutbarer Verwaltungsaufwand wegen unterschiedlicher Zahlungsbuchungen könne eine Kündigung begründen. Zu berücksichtigen sei des Weiteren, ob ein Mietverhältnis in der Vergangenheit störungsfrei gelaufen ist oder bereits zu Abmahnungen geführt habe.

Entscheidend ist jedoch im neuen Urteil, dass der BGH nunmehr ausdrücklich klarstellt:

Die verspätete Zahlung des Jobcenters allein bedeutet nicht automatisch, dass den Mieter kein Verschulden treffe. Vielmehr werde das eigene Verschulden des Mieters regelmäßig vermutet. Durch den Umstand, dass der Mieter auf Transferleistungen angewiesen sei, werde diese Vermutung noch nicht entkräftet. Es sei vielmehr Aufgabe des Mieters darzulegen und zu beweisen, dass er die staatliche Leistung rechtzeitig und mit vollständigen und geeigneten Unterlagen beantragt habe sowie die Behörde auf die Unpünktlichkeit und die möglichen Konsequenzen einer vermieterseitigen Kündigung hingewiesen habe.

Fazit:

Der Vermieter sollte im Falle einer Zahlungsunpünktlichkeit oder eines Zahlungsverzuges, der darauf zurückzuführen ist, dass staatliche Behörden unmittelbar Zahlungen an den Vermieter leisten und diese verspätet oder in zu geringer Höhe eingehen, zunächst den Mieter über diesen Umstand informieren. Der Mieter hat davon ja in der Regel keine direkte Kenntnis. Bei dieser Information sollte der Mieter über die Konsequenzen einer möglichen Kündigung bei Fortsetzung dieses Verhaltens aufgeklärt (Abmahnung) und aufgefordert werden, dies auch dem zuständigen Sozialleistungsträger so weiterzuleiten.

Eine Abmahnung empfiehlt sich auch wenn bekannt ist, dass der Mieter auf Sozialleistungen angewiesen ist und diese zunächst von der Behörde erhält und an den Vermieter weiterleitet. Auch hier sollte dem Mieter Gelegenheit gegeben werden, zunächst beim Jobcenter vorstellig zu werden, um etwaige Missverständnisse zu klären und seinerseits dem Vermieter gegenüber erklären und nachweisen zu können, inwieweit er tatsächlich selbst alles Erforderliche getan hat, um eine rechtzeitige und vollständige Mietzahlung zu gewährleisten.

Bei Mietern, die nicht auf Transferleistungen angewiesen sind, ist eine Abmahnung bei Vorliegen der Voraussetzungen für eine Zahlungsverzugskündigung im Übrigen nicht erforderlich.

Noreen Walther

Rechtsanwältin

Aktuelle Information Nr. 35/2016

Rechtsanwälte Strunz ♦ Alter, Chemnitz