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Befreiung des Mieters von Hausordnung und Winterdienst wegen Alters und Gebrechlichkeit?

In Literatur und Rechtsprechung ist nach wie vor heftig umstritten, ob der wegen Alters bzw. Gebrechlichkeit oder dauerhafter Krankheit an der Pflichtausübung gehinderte Mieter von seiner Teilleistung frei wird. Vertreten werden folgende Auffassungen:

1. Ansicht:

Leistungsbefreiung aber ggf. Schadenersatzpflicht

Nach e. A. liegt ein Fall der nachträglichen Unmöglichkeit vor, LG Darmstadt WuM 1988, 300; AG Bonn ZMR 1989, 498. Der Mieter wird daher gemäß § 275 Abs. 3 BGB leistungsfrei. Das setzt voraus, dass die Winterdienstpflicht als höchstpersönlich zu erbringende Leistungspflicht betrachtet wird. Denn die Bestimmung lautet:

„Der Schuldner kann die Leistung ferner verweigern, wenn er die Leistung persönlich zu erbringen hat und sie ihm unter Abwägung des seiner Leistung entgegenstehenden Hindernisses mit dem Leistungsinteresse des Gläubigers nicht zugemutet werden kann.“

Die Gläubigerrechte bestimmen sich dann nach den §§ 280, 283 bis 285, 311a und 326 BGB, d. h. der Vermieter darf Schadenersatz (Erstattung der Ersatzvornahmekosten) bei Verschulden des Mieters am Eintritt des Hinderungsgrundes verlangen.

Die Stellung einer Ersatzkraft schuldet der Mieter mangels Verschuldens nach dieser Ansicht nicht, vgl. AG Frankfurt/M. WuM 1985, 19; LG Hamburg ZMR 1989, 422; AG Hamburg-Altona ZMR 2009, 537: Jedoch könne der Vermieter eines Mehrfamilienhauses die Kosten zumindest im Nachfolgejahr nach entsprechender Ankündigung auf alle Mietparteien als Betriebskosten umlegen, so dass auch das Ergebnis „nicht unbillig“ sei. In diesem Fall oblag der Winterdienst nur der Erdgeschossmieterin, die auf Dauer altersbedingt die Pflicht nicht mehr erfüllen konnte.

Mit anderer Begründung aber letztlich demselben Ergebnis wird vertreten, die ergänzende Vertragsauslegung ergebe die Leistungsfreiheit bzw. es verbiete sich eine vertragliche Inhaltsänderung, vgl. Sternel Mietrecht aktuell, 2009, Rn. VI 283 m.w.N..

2. Ansicht:

Keine Leistungsfreiheit sondern Pflicht zur Stellung einer Ersatzkraft

Nach a. A. handelt es sich um eine vertretbare Handlung des Mieters, so dass dieser bei eigener Leistungsunfähigkeit die Stellung einer Ersatzkraft schuldet, vgl. LG Wuppertal WuM 1987, 381; LG Flensburg ZMR 1988, 140; AG Münster WuM 2005, 648; LG Kassel WuM 1991, 580; einschränkend AG Bochum DWW 1986, 273: jedenfalls wenn 17-jähriger Sohn mit im Haushalt lebt.

Sofern die Stellung einer Ersatzkraft unzumutbar wäre, entfiele dann auch diese Pflicht, vgl. Schmidt-Futterer, 9. Auflage § 535 Rz. 157 dd) m.w.N. Das wird aber regelmäßig nicht der Fall sein, soweit vor Ort zahlreiche Firmen und Personen Haushaltsdienstleistungen dieser Art anbieten.

3. Ausblick

Die Rechtsprechung unterscheidet also zwischen vorübergehender und dauerhafter Hinderung an der Pflichterfüllung.

Bislang sind keine Urteile hiesiger Gerichte zu dieser Thematik bekannt.

Daher bietet sich folgende Vorgehensweise an: Der Mieter ist zur höchstpersönlichen Ausführung nicht verpflichtet, schuldet aber die Stellung einer Ersatzkraft, d.h. die Ausführung durch Bekannte oder ein von ihm zu beauftragendes Dienstleistungsunternehmen auf seine Kosten. Vermieter können dem Mieter auch die Beauftragung der Leistungen durch den Vermieter und Kostenumlage über die Betriebskosten anbieten. Dies bedarf aber der Vereinbarung.

Keinesfalls darf einseitig die Vornahmepflicht auf eine Zahlungspflicht im Rahmen der Betriebskostenumlage umgestellt werden. Schon aus Haftungsgründen bietet sich aber generell die Vereinbarung einer Umstellung – insbesondere für zukünftige Vertragsabschlüsse an. Möglicherweise ist angesichts der Altersstruktur eine „Aktion“ sinnvoll, in der die Mieter einheitlich (mindestens alle in einem Hauseingang) der Umstellung von Selbstvornahme auf Kostenumlage zustimmen.

Bei Neuabschlüssen ist möglichst sogleich die Umlage von Kosten der Ausführung durch eine Fachfirma zu vereinbaren. Falls in dem jeweiligen Gebäude derzeit aber noch die Mieter die Reinigungsleistungen erbringen, sollte zumindest durch eine Öffnungsklausel für die Zukunft vorgesorgt werden. Wir verweisen insoweit auf die Muster im Servicebereich der Homepage.

Noreen Walther
Rechtsanwältin

im Kanzleiforum 03/2011

Rechtsanwälte Strunz ♦ Alter, Chemnitz